Die Regierung in der Türkei hat mit der Neubesetzung des Generalstabs ihren Sieg im Machtkampf gegen die einst mächtigen Generäle zementiert. Die Entwicklung der letzten Tage markiert eine historische Wende. Nach dem geschlossenen Rücktritt der Armeeführung sind die Spitzenposten der Streitkräfte neu besetzt worden.

Wie das türkische Präsidialamt am Donnerstag mitteilte, wurde der nach den Rücktritten kommissarisch eingesetzte General Necdet Özel jetzt auch offiziell zum neuen Generalstabschef ernannt. Der alte Generalstab war am vergangenen Freitag aus Protest dagegen zurückgetreten, dass die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan einige Personalvorstellungen der Militärs nicht akzeptieren wollte.

Rücktritte als Zäsur

Die Rücktritte wurden als Zäsur bewertet, weil die lange sehr mächtigen türkischen Militärs damit ihre Niederlage im Machtkampf mit der Regierung einräumten. Der frühere türkische Generalstabschef Isik Kosaner begründete seinen Rücktritt mit den Worten, er habe ihm untergebene Offiziere nicht vor einer Strafverfolgung wegen angeblicher Umsturzpläne schützen können. Eine Zeitung zitierte aus einer Erklärung Kosaners, wonach derzeit 173 Generäle und andere Militärangehörige unter dem Vorwurf der Verschwörung gegen die Regierung Erdogans in Haft seien. Gül entgegnete, die Ermittlungen würden von unabhängigen Richtern ohne Einmischung der Regierung geleitet.

Neben Özel gehören dem neuen Generalstab der Luftwaffenchef Mehmet Erten, der Heereskommandant Hayri Kivrikoglu, der Marinechef Emin Murat Bilgel und Gendarmerie-Kommandant Bekir Kalyoncu an. Die Beförderung einiger Generäle, die vom Rang her für Kommandeursposten infrage kamen, scheiterten am Einspruch von Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül. Darunter war ein General, der sich vor vier Jahren öffentlich geweigert hatte, der Ehefrau von Gül die Hand zu schütteln.

Die neue Besetzung des Generalstabs war in einer Sitzung des Hohen Militärrats seit Montag unter Führung Erdogans erörtert worden. Ursprünglich hatten die Militärs auch die Beförderung von 14 Generälen verlangt, die wegen mutmaßlicher Beteiligung an Putschplänen gegen Erdogan in Untersuchungshaft sitzen. Die Regierung lehnte dies ab. Als Kompromiss wurde nun beschlossen, die Laufbahnen der Beschuldigten für ein Jahr einzufrieren.

Premier an der Spitze

Mit dem Wechsel an der Spitze der Streitkräfte festigt der islamisch-konservative Regierungschef seine Kontrolle über die einst allmächtige Armee. Sie sieht sich als Bewahrerin des weltlichen Erbes des Staatsgründers Kemal Atatürk und hat sich seit 1960 dreimal an die Macht geputscht. Noch 1997 setzte die Generalität die Absetzung einer islamistisch geführten Regierung durch, der auch Erdogan und Präsident Gül angehörten.

Augenfälligstes Beispiel dafür, dass in der Türkei eine neue Ära angebrochen ist: Auf Fotos von der Tagung sah man immer Erdogan an der Spitze der Generäle; anders als bei früheren Konferenzen dieser Art leitete der Ministerpräsident die Sitzung allein und nicht gemeinsam mit dem Generalstabschef.