Herr Khol, was wünschen Sie sich zum Ihrem 70. Geburtstag für Ihre ÖVP?

ANDREAS KHOL: Die ÖVP ist für mich immer ein zusätzlicher Gottesbeweis gewesen. Es muss einen guten Gott geben, sonst gäbe es schon lange keine ÖVP mehr.

Klingt da jetzt mehr als Bedauern, auch Kritik am aktuellen Zustand der Volkspartei an?

KHOL: Nein, ich kenne doch meine Partei. Es gab und gibt immer wieder schwierige, dann aber auch große Phasen.

Und in welcher Situation befindet sich die ÖVP derzeit?

KHOL: Sie kommt aus einer mittelschweren in eine etwas leichtere Phase hinein.

Braucht nicht der neue Parteichef Michael Spindelegger persönlich schon einen Neustart?

KHOL: Nein. Jeder Parteiobmann lernt sein Geschäft on the job. Ich hab' schon so viele anfangen gesehen, das passt schon.

Spricht da jetzt so etwas wie Altersmilde aus Ihnen?

KHOL: Wenn man so etwas von sich selber sagen darf, würde ich eher meinen, das ist die Alterserfahrung.

Welche meinen Sie konkret?

KHOL: Die Erfahrung, dass ein Parteiobmann eine gewisse Zeit braucht, bis er die Leute merken, was er eigentlich kann und wie gut oder wie schlecht er ist. Diese Blitzstarts sind in der Politik nur ganz, ganz selten. Die Zeit bis nur nächsten Wahl reicht aber aus, um die ÖVP wieder in eine bessere Position zu bringen.

Sie haben keine Angst, dass die FPÖ die ÖVP überholt?

KHOL: Auf Mitbewerber muss man immer aufpassen. Gerade die Freiheitlichen sind zu jeder Zeit in den letzten fünfzehn Jahren ein ernsthafter, gefährlicher Mitbewerber gewesen.

Worauf führen Sie die von den Meinungsforschern behauptete, aktuelle Stärke der FPÖ zurück?

KHOL: Auf die Folgen von 2010, in dem es schwere Probleme gegeben hat und ein Dreiviertel Jahr Stillstand die Politik beherrscht hat. Diese Zeit ist gottseidank vorbei. Ich kenne die Ziffern ziemlich genau und bin überzeugt davon, dass es mit der FPÖ jetzt wieder bergab geht. Ich weiß, dass es mit Spindelegger stetig und jede Woche bergauf gegangen ist.

Freuen Sie sich schon auf die nächste, große Koalition nach der Wahl 2013?

KHOL: Am liebsten wäre mir eine Alleinregierung. Aber Österreich ist mit großen Koalitionen unter dem Strich immer sehr gut gefahren. Ich glaube, dass die jetzige ihr großes Potenzial in den nächsten 18 Monaten zeigen kann.

Haben Sie dafür Indizien oder hoffen Sie nur darauf?

KHOL: Die Indizien, dass die Regierung die Botschaft verstanden hat, sind eindeutig. Wir brauchen Geduld, Geduld und Augenmaß. Politik ist, wie Sie wissen, das Bohren ganz harter Bretter. Das, was in den letzten drei Monaten über die Bühne gegangen ist, war nicht so schlecht: Ortstafeln, Stabilitätspakt und so weiter, das sind schon gute Sachen dabei.

Wäre eine Wahlrechtsänderung ein Ausweg, um neue Regierungsformen statt der ewigen Neuauflage von Großen Koalitionen eine Chance zu geben?

KHOL: Nein, das glaube ich überhaupt nicht. Ein Mehrheitswahlrecht halte ich für eine Illusion und für ein ganz gefährliches Experiment.

Herr Khol, etliche Ihrer Sprüche sind so etwas wie geflügelte Worte geworden. Wie ihr Zitat, "Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit". Das lässt sich verschieden interpretieren. Wie würden Sie diesen Spruch heute gern verstanden wissen?

KHOL: Mit der Zeit kommt die Wahrheit ans Tageslicht.

Welche wichtige Wahrheit ist denn für Sie in den letzten Jahren immer konkreter geworden?

KHOL: Das ist jetzt sehr schwierig zu sagen. Für mich war die interessanteste Wahrheit sicherlich der Erfolg der Regierung von Wolfgang Schüssel.

Was hat diesen Erfolg aus Ihrer Sicht ausgemacht?

KHOL: Standort. Der Standort Österreich wurde damals nachhaltig abgesichert. Das ist gelungen.