Herr Ditz, im September endet ihre vierjährige Periode als Präsident der Julius Raab Stiftung, dem Zentrum für Soziale Marktwirtschaft. Warum wollen Sie nicht verlängern? JOHANNES DITZ: Ich habe das mit Präsident Christoph Leitl so vereinbart. Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner sollte die Möglichkeit haben, die Stiftung so zu positionieren, dass sie besser zur Parteiarbeit des Wirtschaftsbundes passt.

Soll die Stiftung politischer, noch ÖVP-näher werden? DITZ: Das ist abzuwarten. Der Schwerpunkt soll aber, wenn ich das richtig verstanden habe, mehr auf breite Meinungsbildung gelegt werden, also mehr PR und weniger Kritik als jetzt. Mein Auftrag war, über den Tellerrand der Tagespolitik hinaus zu denken, Studien zu entwickeln. Und mein persönliches Anliegen ist es immer gewesen, das Grundkonzept der Sozialen Marktwirtschaft neu zu definieren.

Ist sie überhaupt noch ein Thema in der Politik? DITZ: Sie sollte eines sein. Spätestens mit der Wirtschaftskrise hat sich gezeigt, dass der Leitgedanke der Sozialen Marktwirtschaft aktueller ist denn je: Wir brauchen die Märkte, aber wir brauchen auch einen starken Ordnungsrahmen. Diesen Rahmen zu schaffen, wurde absolut verabsäumt. Wir sind alle von den Folgen dieser schrankenlosen Liberalisierung der Finanzmärkte grenzenlos überrascht worden.

Hat Österreich seine Möglichkeiten genutzt? DITZ: Österreich hat hinsichtlich Neuordnung der Marktwirtschaft überhaupt nichts Vernünftiges gemacht. Zuerst wurde Kindesweglegung betrieben und dann mit Banken-Bashing und Privatisierungsängsten reagiert, was völlig falsch ist.

Was wurde konkret verabsäumt? DITZ: Die Politik hat sich generell zu sehr in Richtung Kurzfristigkeit, Tagesaktualität und Meinungsumfragen, zur Oberflächlichkeit hin entwickelt. Wir bräuchten eine neue, wirtschaftspolitische Standortbestimmung, die Setzung neuer Schwerpunkte und eine mittelfristige Perspektive.

Wir erleben auch Defizite bei der Glaubwürdigkeit, es gibt bei uns zu wenig Personen, die sie wirklich verkörpern könnten. Ist unsere Regierungsspitze nicht ausreichend glaubwürdig? DITZ: Dazu will ich mich nicht äußern. Ich will auf meine alten Tage auch keine Zensuren mehr verteilen. Das ist sinnlos.

Was halten Sie als Ex-Staatssekretär im Finanzministerium von einer baldigen Steuerreform? DITZ: Wenn man nichts tut, wird die Steuerbelastungsquote wegen der kalten Progression Richtung 44 Prozent gehen. Und was besonders dramatisch ist: Seit meiner Zeit mit Ferdinand Lacina und der Tarifreform von 1989 sind immer nur die Absetzbeträge verändert worden. Mit dem Ergebnis, dass im Durchschnitt die Lohnsteuer heute um 40 bis 50 Prozent, um die Hälfte höher ist. Und das wird langsam gefährlich. Da muss rasch entlastet werden.

Ist angesichts rasant gewachsener und hoher Schuldenberge eine Steuerreform finanzierbar? DITZ: Ja, das geht schon, das haben wir früher auch gemacht. Wenn man es schlau angeht, finanziert sich so eine Reform binnen drei, vier Jahren zum Großteil selbst. Und die hohen Schulden ließen sich abbauen, wenn die Bundesländer sofort mit Privatisierungen etwa der Elektrizitätswirtschaft anfangen. Damit ließen sich viele Schulden abtragen. Dann sinken auch die hohen Zinszahlungen.

Wann sollten die Steuern sinken?DITZ: Ich würde eine Reform 2014 machen. Käme sie schon 2013, wäre die Gefahr groß, dass es wegen der im gleichen Jahr geplanten Wahlen viel zu viele teure Wahlgeschenke gibt.

Sie klingen recht engagiert. Wollen Sie als jetzt 60-Jähriger anbieten, in die Politik zurückzukehren?

DITZ: Nein, diese Frage stellt sich überhaupt nicht. In der ÖVP fragt mich schon lange niemand mehr, ob ich noch in die Politik will. Dieses Kapitel ist, glauben Sie's ruhig, wirklich abgeschlossen.