Es ist eine gewaltige Herausforderung, vor der US-Präsident Barack Obama steht. Kurz nach der Erschießung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden durch ein US-Spezialkommando in Pakistan möchte er einen Neuanfang in den Beziehungen zu den Staaten im arabischen Raum schaffen. Eine Region im Umbruch, wo die amerikanischen Bemühungen um einen Frieden zwischen Palästinensern und Israelis versagt haben. Allerdings warnen die Mitarbeiter des Präsidenten davor, von Obama eine Gesamtstrategie zu erwarten. Zu unterschiedlich seien die Entwicklungen in der Region.

Als Kernstück gilt Obamas Rede zum "arabischen Frühling" am Donnerstag. Im Gegensatz zu seiner vielbeachteten Ansprache 2009 in Kairo werde sich der Präsident nicht so sehr an die "Herzen der Muslime" wenden, sagten Vertraute. Stattdessen wolle er konkret auf die Entwicklungen in Nordafrika und in anderen arabischen Staaten eingehen. Bleiben dürfte dabei das Prinzip, von Fall zu Fall vorzugehen, je nachdem, ob es um die Veränderungen bei Verbündeten wie Ägypten und Jemen oder bei Gegnern wie Libyen oder Syrien geht. "Der 'arabische Frühling' bringt große Unsicherheit mit sich", sagt David Markovsky vom "Washington Institute for Near East Policy". "Sie wollen daher eine Doktrin vermeiden, bei der ein Ansatz für alles herhalten soll."

Obama steht wegen seines bisherigen Vorgehens innenpolitisch unter Druck. Kritiker werfen ihm vor, zu langsam auf die Umwälzungen in Nordafrika reagiert zu haben. Zu zögernd sei seine Reaktion angesichts des libyschen Bürgerkriegs, heißt es weiter, und nicht entschlossen genug im Umgang mit Jemen und Bahrain. Die Regierung wird gedrängt, in die Kämpfe in Syrien einzugreifen. Zwar dürfte Obama in seiner Rede mehr Demokratie fordern. Aber zu weit kann er nicht gehen, wenn er nicht Verbündete wie Saudi-Arabien vor dem Kopf stoßen will. Die Königsdiktatur ist ein Verbündeter im Kampf gegen Al-Kaida, ein regionales Gegengewicht zum Iran und ein wichtiger Öl-Lieferant.

Dementsprechend gehen Experten davon aus, dass Obamas Kritiker am Ende unzufrieden sein werden. "Ich glaube nicht, dass man mit einer Nahost-Politik durchkommt, die sich die Rosinen herauspickt", sagt Elliott Abrams vom "Council on Foreign Relations". Präsidialamtssprecher Jay Carney spricht dagegen von "einer Situation, die sehr im Fluss ist".

Die größte Herausforderung dürfte der jahrzehntelange Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis sein. Obamas Sondergesandter George Mitchell hat vor einigen Tagen seinen Posten aufgegeben. Am Freitag empfängt Obama Israels Premier Benjamin Netanjahu. Vor den Präsidentschafts- und Kongresswahlen im kommenden Jahr verbietet sich großer Druck auf den Verbündeten; zu groß ist die Unterstützung für Israel in den USA.

Experten gehen davon aus, dass die Araber inzwischen wissen, was sie sich realistisch von Obama erwarten können. Unklar sei daher, ob sie überhaupt die Rede verfolgen würden. "Die Menschen in der Region, die viele Hoffnungen auf Obama und seine Ankündigungen gesetzt haben, sind von seiner tatsächlichen Politik enttäuscht", sagt der unabhängige Experte Mouin Rabbani in Amman. "Vielleicht haben sie keine Lust, mehr davon zu hören."