Millionen Ägypter, die gehofft haben, dass mit dem Sturz von Diktator Hosni Mubarak das Tor zu einer hoffnungsvollen Zukunft aufgestoßen wurde, sind jetzt wohl bitter enttäuscht. Denn das Land am Nil kommt nicht zur Ruhe. Die Arbeitslosigkeit steigt, zumal sich der Tourismus, die Staatseinnahme Nummer eins, von den dramatischen Wochen des Umsturzes noch nicht erholt hat.

Vor allem aber steigt die Gewaltbereitschaft im Land. Intoleranz und religiöser Fanatismus nähren die Spannungen zwischen Christen und Muslimen schon seit Langem. Doch seit dem Ende des Diktators nehmen handfeste Auseinandersetzungen dramatisch zu.

Oft genügt schon ein Gerücht, um die Gewalt zu entfachen. Am Samstag hieß es, eine koptische Christin habe einen Muslim geheiratet und werde nun gegen ihren Willen in einer Kirche im Kairoer Stadtteil Imbaba festgehalten. Sofort strömten Hunderte Moslems vor die Kirche, die von zahlreichen Kopten beschützt wurde, und forderten die Freilassung der Frau. Schüsse fielen, von Hausdächern aus wurde geschossen. Islamisten warfen Brandbomben, worauf das Gotteshaus teilweise ausbrannte. Die blutige Bilanz: zwölf Tote und 230 Verletzte.

Nichts an den Gerüchten um die Frau ließ sich überprüfen und es war auch nicht klar, wie die Menge davon Kenntnis erlangt hatte. Die blutigen Vorfälle werfen aber ein Schlaglicht auf das schwierige Verhältnis zwischen den Konfessionen im islamisch geprägten Ägypten.

Viele in Ägypten glauben, dass das Mubarak-Regime diese Konflikte bewusst schürte, um sich selbst als einziges Bollwerk gegen den islamistischen Extremismus zu präsentieren. Tatsächlich hat das alte Regime moslemische Hardliner brutal unterdrückt und gut im Griff gehabt. So auch die von Saudi-Arabien finanzierte und inspirierte Sekte der Salafisten. Viele dieser religiösen Eiferer waren unter Mubarak inhaftiert. Jetzt sind sie frei und toben ihre Intoleranz nicht nur gegenüber Kopten aus, sondern attackieren auch moderate Moslems und säkulare Mitbürger.

Der ägyptische Justizminister hat gestern angekündigt, die Regierung werde ab sofort "Sicherheit mit eiserner Hand" garantieren und "entschlossen gegen die Verantwortlichen der Ausschreitungen vorgehen".

Das ist gut und wichtig. Die Frage ist nur, ob Ägyptens neue Führung dabei einen praktikablen Weg auf dem schmalen Grat zwischen besagter "eiserner Hand" und Rechtsstaatlichkeit findet, der wegweisend sein muss - für Ägypten und für die gesamte arabisch-islamische Welt.

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