Die Operation Geronimo begann in der Nacht zum Montag pakistanischer Ortszeit. 24 Angehörige des Eliteteams Nummer sechs der Navy Seals machten sich in zwei Blackhawk-Helikoptern vom afghanischen Jalalabad aus in Richtung Pakistan auf. Die Männer waren bestens vorbereitet, hatten ihre Mission seit Wochen in Afghanistan trainiert. Das Anwesen von Osama bin Laden samt dem Haus, in dem er gelebt hat, wurde dafür sogar im Maßstab 1:1 aufgebaut. Nichts durfte schiefgehen.

Doch bei der Landung in dem Anwesen geriet einer der Hubschrauber außer Kontrolle. Die Maschine schlug hart auf dem Boden auf. Niemand wurde verletzt. Die Männer stürmten sofort das Gebäude. Ihre Helmkameras übertrugen die Operation direkt ins Weiße Hauses, wo Präsident Obama und sein Sicherheitsstab gebannt auf einen großen Bildschirm starrten.

Team sechs der Navy Seals wusste dank Satellitenüberwachung, dass sich bin Laden und seine Familie im ersten und zweiten Stock aufhielten. Die Männer arbeiteten sich langsam nach oben vor. Immer wieder kam es zu Schusswechseln. Sie stöberten den Al-Kaida-Anführer schließlich in seinem Schlafzimmer auf. Doch der 54-Jährige wollte sich nicht ergeben, benutzte eine Frau als menschlichen Schutzschild. Kurz darauf traf ihn ein Schuss ins linke Auge, ein weiterer in der Brust.

Töten oder festnehmen!

Obama habe den Männern einen klaren Befehl gegeben: töten oder festnehmen!. Neben dem Top-Terroristen starben noch drei weitere Menschen bei der Aktion, darunter auch einer seiner Söhne.

Sechs Jahre ist es inzwischen her, seit sich Amerikas Geheimdienste erstmals ernsthaft auf die Fährte des Al-Kaida-Chefs hefteten. Seit der Schlacht im afghanischen Tora Bora Mitte Dezember 2001 war der Top-Terrorist wie vom Erdboden verschwunden. Der damalige US-Präsident George W. Bush, der ursprünglich dessen Kopf ("tot oder lebendig") gefordert hatte, schien die Suche bereits aufgegeben zu haben.

Bin-Laden-Kuriere

Der Bush-Regierung erschien das Sicherheitsnetz um den Terroristenführer undurchdringlich. Bin Laden verwendete weder Telefon noch E-Mail und war damit für die Abhör- und Internet-Spezialisten der Supermacht unsichtbar. Doch 2005 hatten die US-Spione endlich eine wunde Stelle gefunden: Bin Laden kommunizierte zwar nicht elektronisch, aber er verhielt sich nicht völlig stumm. Wenn er etwas mitzuteilen hatte, schickte er persönliche Kuriere los: handverlesene Getreue, denen er mit seinem Leben vertraute. Genau die galt es zu finden.

Den ersten Hinweis lieferte die Nummer drei in der Al-Kaida-Hierarchie, Khalid Scheich Mohammed, den US-Geheimdiensten. Mohammed, der am 1. März 2003 in Pakistan, festgenommen wurde, kannte die Spitznamen mehrerer Bin-Laden-Kuriere. Freiwillig wollte er sie den Ermittlern freilich nicht verraten. Erst nachdem ihn die CIA in einem Geheimgefängnis in Osteuropa der Wasserfolter aussetzte, gab er sie preis.

Der entscheidende Durchbruch gelang im August 2010, als ein Kurier ganz in der Nähe von Bin Ladens Versteck im pakistanischen Abbottabad mit einer Person telefonierte, die vom US-Geheimdienst elektronisch belauscht wurde. Endlich hatte man den Terroristenchef geortet. Ab da an wurde der Angriff monatelang minutiöse geübt.

Nur 40 Minuten

Mit Erfolg. Nach nur 40 Minuten war die Operation Geronimo beendet. Die Seals zerstörten noch ihren beschädigten Helikopter, damit dessen Hochtechnologie nicht in fremde Hände fallen konnte: "Geronimo-E KIA", funkte einer zum Schluss ans Weiße Haus - der Feind ist tot. Die längste Terroristenjagd der jüngeren Geschichte vorbei.