Dass Guido Westerwelle nicht mehr Parteichef bei der FDP sein sollte, das haben viele Liberale schon seit Monaten gefordert. Wer ihn tatsächlich ersetzen soll, darüber bestand auch einen Tag nach Westerwelles Rücktrittserklärung Unklarheit. Alle Meldungen über eine Festlegung seien "nur Spekulationen", sagte Christian Lindner, Generalsekretär der FDP, im Anschluss an eine Präsidiumssitzung in Berlin. Allerdings werden Lindner auch eigene Ambitionen auf den Chefsessel nachgesagt, während der Favorit der Meldungen Gesundheitsminister Philipp Rösler ist. Lindner machte zudem klar, dass die FDP künftig "im Team" geführt werde. Und: "Alle, die Verantwortung tragen wollen, sind Teamplayer."

Heute wird entschieden

Eigentlich war allgemein mindestens mit einer Vorentscheidung bei dem Treffen des FDP-Präsidiums gerechnet worden. Doch Lindner betonte, Personalien seien kein Thema auf der Sitzung gewesen. Noch seien keine offiziellen Kandidaturen angemeldet worden. Auf Nachfrage weigerte sich Lindner ebenso, zu möglichen eigenen Plänen Stellung zu nehmen. Am heutigen Dienstag würden Präsidium, Landesvorsitzende, der Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion in die Beratungen eingebunden. Danach könne man davon ausgehen, dass eine Entscheidung gefällt werde, die dann auf dem Bundesparteitag im Mai bestätigt werden müsse.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die als mögliche Übergangsvorsitzende gehandelt wird und sich selber schon früh für Lindner als geeigneten FDP-Chef ausgesprochen hat, warnte vor scharfen innerparteilichen Auseinandersetzungen. Alle müssten an einem Strang ziehen, die FDP dürfe sich "nicht auseinanderdividieren lassen in Jung oder Alt, links oder rechts". Die Partei müsse "sich nicht neu erfinden, aber selbst wiederfinden". Lindner äußerte sich ähnlich. Es werde "keine Brüche mit alten Inhalten" geben. Man müsse aber "mit Schlüsselprojekten näher an den Alltag der Menschen herankommen".

Einen zu radikalen Bruch versuchen die Liberalen dadurch zu vermeiden, dass Westerwelle auch bei einem neuen Vorsitzenden Außenminister bleibt. Dies sei ein "wichtiger Schritt, in dieser Aufgabe Kontinuität zu beweisen", sagte Lindner. Zu weiteren Spekulationen über eine Kabinettsumbildung äußerte Lindner sich nicht. Wie kolportiert wird, fordert Rösler das Amt des Wirtschaftsministers, sollte er FDP-Chef werden.

Das würde aber die Entmachtung seines Parteikollegen Rainer Brüderle bedeuten, der sich heftig dagegen wehrt - und Unterstützung etwa aus der Fraktion erhält. Immerhin versprach Westerwelle, dass er den Titel des Vizekanzlers an seinen Nachfolger weitergeben werde, sollte er ein Kabinettsmitglied sein. Das wurde von Beobachtern als starker Hinweis auf Rösler gedeutet.

Merkel hält zu Westerwelle

Die Opposition forderte, dass Westerwelle auch das Außenamt abgibt. Der Koalitionspartner Union hielt sich dagegen aus den Diskussionen heraus. In einer ersten Stellungnahme hatte Kanzlerin Angela Merkel gesagt, dass sie sich auf die weitere Arbeit mit Westerwelle im Kabinett freue. Bei einem Auftritt ließ sie keine Nachfragen von Journalisten zu dem Thema zu. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, dass in einer Koalitionsregierung die Partner selbst darüber bestimmten, welche Personen die der Partei zustehenden Ressorts besetzen.

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