Nur drei Absätze umfasst die Pressemitteilung des deutschen Energiekonzerns RWE: Der Inhalt könnte aber die größte Konfrontation zwischen Wirtschaft und Bundesregierung seit Jahren bedeuten. RWE Power, eine für die Stromerzeugung verantwortliche Konzerntochter, klagt gegen die einstweilige Einstellung des Betriebs des Atomkraftwerks Biblis.

Die hatten die hessischen Aufsichtsbehörden für den Meiler angeordnet, nachdem die Bundesregierung - als Reaktion auf die Atomkatastrophe in Japan - beschlossen hatte, die sieben ältesten deutschen AKW für mindestens drei Monate vom Netz zu nehmen. "Die deutschen Kernkraftwerke erfüllen die geltenden Sicherheitsanforderungen. Für eine Betriebseinstellung fehlt daher die rechtliche Maßgabe", teilte RWE nun mit und reichte Klage beim zuständigen Verwaltungsgerichtshof in Kassel ein. Das Unternehmen wolle so die "Wahrung der Interessen seiner Aktionäre" sicherstellen. Und die Chancen stehen für RWE nach Einschätzung von Experten nicht schlecht. Die Energieerzeuger in Deutschland stecken in einem Dilemma. Zum einen ist auch ihnen klar, dass die Öffentlichkeit mit jedem neuen Bild aus Japan atomskeptischer wird. Zum anderen verpflichtet sie aber das Aktienrecht dazu, im Sinne ihrer Anteilseigner zu handeln. Nach Einschätzung von Fachleuten entgehen RWE durch die Abschaltung des AKW Biblis mit jedem Tag rund eine Million Euro Gewinn. Und da spielen politische Erwägungen nur eine untergeordnete Rolle.

Die Regierung reagierte auf die Klage demonstrativ gelassen. Die Bundesregierung habe das zur Kenntnis genommen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

RWE beteuert unterdessen, Biblis erst wieder anfahren zu wollen, sobald über seine Klage entschieden wurde. Natürlich wolle das Unternehmen auch bei der angeordneten Sicherheitsüberprüfung kooperieren. Es sei schließlich "notwendig und folgerichtig, den schweren Reaktorunfall in Japan genau zu analysieren".

Für die Berliner Regierung und die Bundesländer, in denen die AKW stehen, bleibt ein erhebliches Restrisiko. Der Schwenk in der Atompolitik könnte zwar den Vertrauensverlust bei den Wählern erschüttern, aber auch Milliarden durch Schadenersatzklagen der Atomkonzerne kosten. Die Klage von RWE ist der Testballon, dessen Schicksal die übrigen Konzerne mit großem Interesse verfolgen werden.