Was haben Sie heuer am 7. Jänner gemacht, Herr Rainer?

JÜRGEN RAINER: Da müsste ich nachschauen, warum?

Das war der Fenstertag nach Ende der Weihnachtsferien.

RAINER: Das kann schon sein.

Die Steuerzahler fragen sich, wieso die Lehrer an diesem Werktag nicht arbeiten mussten.

RAINER: Es gab hierfür eine gesetzliche Regelung. Wenn der Gesetzgeber festlegt, dass an diesem Fenstertag der Unterricht entfällt, kann man das den Lehrern nicht vorhalten.

Den Lehrern wird oft unterstellt, sie hätten den Beruf nur wegen der vielen Freizeit gewählt. Tun Sie dem Berufsstand etwas Gutes, wenn Sie eine weitere Herabsetzung der Arbeitszeit fordern?

RAINER: Ich hab' es ja nicht gefordert, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass wir am Bundestag einen diesbezüglichen Antrag behandeln werden. Das Lehrer-Image ist in der Bevölkerung gut bis sehr gut. Nur die veröffentlichte Meinung ist unser Problem. Die Medien stellen es so dar, als seien Juli und August die Hauptargumente für den Lehrberuf.

Sie glauben wirklich, dass das nur die Medien sind? Und dass es nicht zum Beispiel Verkäuferinnen gibt, die sich fragen, wieso sie nie einen Tag einfach freibekommen?

RAINER: Schauen Sie, das ist wieder eine zielgerichtete Frage in eine bestimmte Richtung. Eine 1999 durchgeführte Arbeitszeitstudie hat gezeigt, dass Lehrer zumindest im selben Ausmaß arbeiten wie der durchschnittliche öffentlich Bedienstete.

Wie hoch ist das durchschnittliche Arbeitsaufkommen eines Geografie- und Sportlehrers?

RAINER: Die Sportlehrer leiden darunter, dass sie immer als das Negativbeispiel dargestellt werden. Man sieht nur den Unterricht. Aber dass sie rund sechs Wochen im Jahr mit Schülergruppen unterwegs sind, wo sie außerhalb jeder arbeitsgesetzlichen Regelung einen 24-Stunden-Dienst haben, wird überhaupt nicht registriert. Sogar das EU-Recht sagt, mehr als zehn Stunden Arbeitszeit sind nicht zulässig.

Erstaunlicherweise finden sich immer viele Lehrer, die trotzdem gerne auf Schikurs fahren.

RAINER: Ich werde ja Turnlehrer, damit ich den Schülern die Freude an der sportlichen Betätigung beibringe. Die erfüllen einen hohen Auftrag. Aber in der Negativpropaganda sind sie natürlich ein williges Opfer.

Es kommen massiv Klagen der Eltern, dass dauernd Unterrichtsstunden entfallen und es zu viele Supplierstunden gibt. Wie viele Prozent des geplanten Unterrichts finden tatsächlich statt?

RAINER: Ich habe da keinen Einblick und keine Zahlen.

Wären Sie bereit, dass man das einmal gründlich erhebt?

RAINER: Ja. Wenn es eine Grippewelle gibt, haben wir Probleme. Aber wir haben die Regelung mitgetragen, dass es bei Ausfällen stets einen Supplierlehrer gibt, der mit den Schülern das Programm wiederholt und eventuell eine Hausübung macht.

Sie garantieren also jedem Leser: Jede Stunde im Stundenplan wird in pädagogisch wertvoller Form tatsächlich gehalten.

RAINER: Was verstehen Sie unter wertvoll?

Nicht nur fernsehen und Stillbeschäftigung.

RAINER: Als Gewerkschafter trage ich die Regelung mit. Ich bin aber nicht dafür verantwortlich, was tatsächlich geschieht.

Es gibt den Vorschlag, die Matura in den Sommer zu verlegen. Spricht da etwas dagegen?

RAINER: Überhaupt nichts. An den berufsbildenden Schulen haben wir das ganze Jahr über Reife- und Diplomprüfung.

Direktoren klagen, dass manche Lehrer sofort in den Krankenstand gehen, wenn man sie scharf anredet. Wären Sie dafür, dass Direktoren Personalhoheit bekommen?

RAINER: Ja. Aber man soll die Personalhoheit der Schule gewähren, nicht dem Direktor alleine.

Zur Personalhoheit braucht man Führungskompetenz, da hat die Parteipolitik ausgedient. Wem würden Sie als Instanz für die Schulleiterbestellung vertrauen?

RAINER: Das Führungsteam an der Schule soll selbst sagen, wer das machen soll. Ich bin aber dagegen, dass wir einen einzelnen Baustein aus diesem Bereich rausziehen. Die Schulstruktur, wie wir sie haben, ist unzeitgemäß und katastrophal. Die Schulen hängen an den Fäden der Verwaltung. Du bist als Lehrer gewöhnt, dass dir immer einer eine Weisung gibt, und du darfst nicht widersprechen. Der Ober sticht permanent den Unter. Ich sage, wir müssen die Schulen völlig in die Autonomie geben. Wir brauchen keine Schulaufsicht, keine Inspektion. Die Schule muss das eigenverantworten und sie wird am Jahresende gemessen.

Sind Sie dafür, dass Fortbildung grundsätzlich in der unterrichtsfreien Zeit zu absolvieren ist?

RAINER: Da fehlt mir das Verständnis. Der Lehrer kriegt für jede Fortbildung einen Dienstauftrag .

Wären Sie dafür, dass Direktoren Fortbildung nur in der unterrichtsfreien Zeit genehmigen?

RAINER: Ich greife in die Frage, wie die Schule das regelt, nicht durch eine Meinung ein.

Die Wirtschaft beklagt Wissensmängel bei Schulabgängern. Ist die Qualität der Lehrerarbeit mangelhaft?

RAINER: Ich bin Lehrervertreter. Sie werden von mir nicht erwarten, dass ich sage, was Sie vielleicht hören wollen. Wir machen die Arbeit so gut, wie wir können. Deshalb ärgert es uns, wenn man uns ganz andere Sachen vorwirft.

Uns würden nur jene Vorwürfe ärgern, die stimmen.

RAINER: Okay... (lacht). Aber wenn Sie es permanent zu hören kriegen - das tut schon weh.