Olaf Scholz als Hoffnungsträger zu beschreiben, würde dem 52-Jährigen nicht gerecht. Der geradlinige Polit-Profi mit einem Hang zur Ironie ist längst ein Schwergewicht der SPD, ein ausgebuffter Fädenzieher. Der gelernte Fachanwalt für Arbeitsrecht hat den Sozialdemokraten einen glanzvollen Start in das Wahljahr 2011 beschert. Gut neun Jahre nach dem Machtverlust in Hamburg kehrt die SPD mit Scholz als künftigem Bürgermeister auf die Regierungsbänke der Elbmetropole zurück. Als Regierungschef des viertkleinsten Bundeslandes dürfte der seit den Kindertagen in der Hansestadt lebende Scholz in der SPD nochmals an Gewicht zulegen.

"Brechmittel-Senator" und "Scholzomat"

"Wir können in Hamburg den Senat stellen, und der Erste Bürgermeister wird ein Sozialdemokrat sein", sagte Scholz am Sonntagabend. Das Amt des Regierungschefs im Stadtstaat an der Elbe ist sein größter Karrieresprung. Der "Brechmittel-Senator" von 2001 und der "Scholzomat" aus dem Jahr 2003 lägen weit hinter ihm. Weggefährten sehen im Aufstieg im November 2007 zum deutschen Arbeitsminister den eigentlichen Wandel des SPD-Funktionärs. Dort sei Scholz - bei aller Loyalität zum Parteichef und zum Vizekanzler - sein eigener Herr geworden, habe sich emanzipiert. Mit seinem Namen sind die Erleichterungen für das Kurzarbeitergeld verbunden, die dazu beitrugen, dass in der Finanz- und Wirtschaftskrise Massenentlassungen ausblieben.

Scholz war Innensenator, SPD-Generalsekretär, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Arbeitsminister - er hat in zehn Jahren viele Stationen durchlaufen. Über den Menschen Scholz hat er dabei wenig preisgegeben. Er wirkt stets beherrscht, dabei freundlich und offen. "Das ist einer, der viel nachdenkt", sagen enge Mitarbeiter. Scholz denkt Dinge zu Ende, bevor er sie ausspricht. Wer ihm im Kopf nicht schnell genug folgen kann, läuft Gefahr, seine Ungeduld zu spüren.

Zu seinen Vorzügen zählen Vertraute seine Loyalität - zu übergeordneten SPD-Genossen, aber auch zu Mitarbeitern. Scholz könne diskret politische Entscheidungen einfädeln, die dann auch stünden. Nach dem Absturz der SPD bei der Bundestagswahl 2009 organisierte er im kleinen Zirkel die Neuaufstellung der Spitze mit, brachte Sigmar Gabriel und Andrea Nahles an einen Tisch. Belohnt wurde er mit dem stellvertretenden Parteivorsitz.

"Wer bei mir Führung bestellt, bekommt Führung"

Ehrgeizig ist der smarte Hamburger. Dem Zufall überlässt er wenig. Als im Herbst 2009 ein Hamburger Kreisvorsitzender nach dem anderen bei ihm vorstellig wurde, damit er dem zerstrittenen Landesverband wieder Geschlossenheit lehre, ließ Scholz jeden einzelnen Loyalität schwören, wie Vertraute überliefern. "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt Führung", sagt Scholz später einmal. Das hat sich ausgezahlt: Nach außen stellt sich die Hamburger SPD einig da wie selten.

Der Stimmungsumschwung geht vor allem auf das Konto von Scholz. Eine gescheiterte schwarz-grüne Regierung, der Ausstieg der Grünen und ein hilfloser Übergangsbürgermeister der CDU haben ihm das Feld bereitet. Der fest in seinem Hamburger Stadtteil Altona verwurzelte Scholz hat seine Chance genutzt. Im Wahlkampf setzte er auf die Verbindung von Wirtschaft und sozialer Gerechtigkeit, fischte damit in der CDU-Klientel. Soziale Wohltaten versprach er wenige, kostenfreie Kindergartenplätze und die Abschaffung der Studiengebühren gehörten dazu.

Sparkurs angekündigt

Gleichzeitig stimmte der SPD-Politiker die Hamburger auf einen Sparkurs ein. Dem Wunsch-Koalitionspartner GAL trat er mit der Elbvertiefung und dem Nein zur Stadtbahn auf die Füße. Dennoch gilt er als überzeugter Verfechter von Rot-Grün. Bei der Übernahme des Parteivorsitzes gab er als Marschrichtung aus, schleunigst das Verhältnis zu den Grünen wieder zu verbessern. Viele Hamburger Sozis saßen da noch in der Schmollecke, weil ihr vermeintlich angestammter Partner mit der CDU koalierte. Die Prognosen sahen am Abend aber so aus, dass Scholz einen Koalitionspartner gar nicht benötigen wird.

Im Politbetrieb werden einem siegreichen SPD-Politiker sofort Ambitionen auf die Kanzler-Kandidatur 2013 nachgesagt. Scholz baute vor und beteuerte, er wolle so regieren, dass die Hamburger Wähler 2015 sagen: "Das wollen wir noch ein zweites Mal wagen." Eine Verliererin des Abends ist seine Ehefrau: Britta Ernst bekleidet als Parlamentarische Geschäftsführerin das zweitwichtigste Amt der SPD-Fraktion in Hamburg. Die Bildungspolitikerin hätte alle Chancen, Senatorin zu werden - wenn nicht ausgerechnet ihr Mann Regierungschef würde.