Der Dienstag könnte zu einem Schicksalstag für Ägypten werden. Eine Massendemonstration mit einer Million Teilnehmern soll den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak noch in dieser Woche zum Rücktritt zwingen. Ein Bündnis mehrerer Oppositionsgruppen rief für Dienstag zur bisher größten Protestaktion auf dem Kairoer Tahrir-Platz auf. Die Koalition wird dominiert von der Jugendbewegung, aber auch die verbotene Muslimbruderschaft hat sich angeschlossen. Geht es nach den Organisatoren des geplanten Massenprotests, soll Mubarak damit gezwungen werden, bis Freitag zurückzutreten. Ägyptens Armee ließ in einer Erklärung wissen, sie werde keine Gewalt gegen die Bevölkerung einsetzen. Die Forderungen der Demonstranten seien "legitim". Die "Meinungsfreiheit in friedlicher Form wird allen garantiert", betonte ein Armeesprecher.

Mohammed el Baradei scherte sich nicht um die Ausgangssperre. "Wir sind auf dem richtigen Weg. Habt noch etwas Geduld, der Wandel wird in den nächsten Tagen kommen", rief der 68-jährige Friedensnobelpreisträger durch ein kleines, weißes Megafon der Menge zu. Ein Bündnis aller Oppositionsgruppen einschließlich der Muslimbruderschaft beauftragte ihn am Montag offiziell, mit dem Regime Mubarak zu verhandeln. Es sei ein nationales Komitee gebildet worden mit Baradei an der Spitze, hieß es aus den Reihen der Muslimbrüder.

Doch das Regime ist noch nicht bereit, das Feld zu räumen. Soldaten schrubbten an ihren Panzern die schwarzen Graffiti "Nieder mit dem Diktator" und "Nieder mit Mubarak" ab, während die Offiziere sich die Beine vertraten. Internet und SMS blieben auch den vierten Tag komplett abgeschaltet, ungeachtet der Millionenschäden für Firmen, Banken und die Tourismusbranche.

Demonstrativ ließ sich der 82-jährige Hosni Mubarak zusammen mit seinem neuen Vize Omar Suleiman im Lagerraum der Streitkräfte filmen. Auch in seinem neuen Kabinett sitzen weiter die alten Leute - bis auf den verhassten Innenminister Habib al Adly. Für das Staatsfernsehen scherzte Verteidigungsminister Mohamed Hussein Tantawi mit seinen Truppen auf der Straße, zupfte einige Rekruten väterlich am Ohr. Am Montag war nach 48 Stunden Abwesenheit plötzlich die Polizei wieder auf der Straße - nur weiß keiner, ob sie Jagd auf Plünderer oder auf Demonstranten machen soll.

Österreicher evakuiert

Währenddessen erhöhen die Vereinigten Staaten und Europa ihren diplomatischen Druck auf das Regime. Hillary Clinton forderte einen "geordneten Übergang" und kritisierte Mubaraks bisherige Reaktion als "absolut unzureichend". Der frühere US-Präsident Jimmy Carter, zu dessen Amtszeit der Schah von Persien aus seinem Land vertrieben worden war, erklärte, Mubarak werde stürzen, weil das Volk sich dafür entschieden habe. Facebook-Organisator Mohamed Magdi jedoch bleibt skeptisch. "Das Militär hat sich entschieden", sagte er. "Es stellt sich jetzt voll hinter Mubarak." Das Regime wolle das Volk nun "Schritt für Schritt in die Knie zwingen".

Angesichts der unsicheren Lage hat das Außenministerium in Wien am Montag eine Evakuierung für aus Ägypten flüchtende Österreicher gestartet. Drei Flugzeuge für insgesamt 419 Passagiere, darunter eine AUA-Sondermaschine und eine Transportmaschine des Bundesheeres, flogen am Abend zurück nach Wien.