Moskau steht nach dem Terroranschlag auf dem Flughafen Domodedowo unter Schock. In der U-Bahn herrscht seit Montag gespenstische Stille. Die Fahrgäste verstecken die Köpfe hinter Zeitungen, deren Titelseiten das Unbeschreibbare in großen Lettern herausschreien. "Der Krieg kommt nach Domodedowo", titelt etwa die Zeitung "Metro".

Bisher 35 Tote hat der Anschlag eines Selbstmordattentäters bisher gefordert, darunter auch österreichische Staatsbürger. Und auch wenn der endgültige Beweis noch fehlt, steht für die russischen Behörden bereits jetzt fest: Dieser "Krieg" kam wieder aus dem Kaukasus.

Dort kämpfen die autonomen Republiken seit den 1990er-Jahren um ihre Unabhängigkeit von Russland. Nach den zwei Tschetschenien-Kriegen tragen Attentäter den Konflikt immer wieder in das russische Kernland. 2002 gab es eine Geiselnahme durch tschetschenische Rebellen in einem Moskauer Musicaltheater, bei der 129 Geiseln starben. Zu den Anschlägen auf die Moskauer Metro im März 2010 bekannte sich der tschetschenische Rebellenführer Doku Umarow. Zwei "Schwarze Witwen" - Frauen getöteter Rebellen - hatten sich im morgendlichen Berufsverkehr in die Luft gesprengt und dabei 40 Menschen getötet.

In den meisten Kaukasus-Republiken, in denen rund 40 Ethnien leben, die an die 50 Sprachen sprechen, herrschen kriegsähnliche Zustände.

Moskaus Führung konnte das Blutvergießen bisher nicht stoppen - trotz verschiedener Versuche, die Taktik zu ändern.

So wurde mit Alexander Chloponin ein ausgewiesener Wirtschaftsexperte zum Sonderbevollmächtigten für den Nordkaukasus ernannt, doch auch er kann gegen die unübersichtlichen Machtstrukturen der Clans nicht viel ausrichten. Immer noch etwa ist in Inguschetien jeder Zweite arbeitslos.

In Tschetschenien hat sich die Lage unter dem brutalen Regime des kremltreuen Präsident Ramsan Kadyrow zwar etwas beruhigt, dennoch bleibt die Region ein Pulverfass.

Offiziell gilt dort die russische Rechtsordnung. Doch der Großteil der Bevölkerung gibt eher dem Adat, der traditionell tschetschenischen Rechtsordnung, oder der islamischen Scharia den Vorzug.

In Moskau haben die Menschen die Geduld mit den "Brudervölkern" aus dem Süden längst schon verloren, obwohl kaum ein Hauptstadtbewohner die Lebenswirklichkeit im Nordkaukasus kennt. Die zahlreichen Wanderarbeiter aus dem Süden, die scharenweise nach Moskau strömen, werden oft als "Krummnasen" oder "Schwarzärsche" bezeichnet.

Erst im vergangenen Dezember zogen russische Nationalisten durch Moskaus Straßen und skandierten "Russland den Russen". Die Miliz löste Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Kaukasiern unter Einsatz ihrer Knüppel auf.