Die Verzweiflung eines jungen Mannes hat dem öffentlichen Bild von Tunesien als besonders sicherem und wirtschaftlich erfolgreichem Staat in Nordafrika Risse verpasst. Der 26-jährige Mohamed Bouazizi setzte sich auf offener Straße in Brand, weil er nach seinem Studium keine feste Arbeit finden konnte und trotzdem versuchte, seine Familie finanziell zu unterstützen. Sein Selbstmordversuch löste eine Welle gewaltsamer Proteste aus, die bisher mindestens drei Menschenleben und fünf Verletzte forderten.

Die Demonstrationen rücken eine Seite Tunesiens ins Licht, die von der Regierung des beliebten Urlaubslandes gern verborgen gehalten wird: fast 14 Prozent Arbeitslosigkeit, Armut unter der Landbevölkerung und unterschwellig brodelnde Wut auf die Regierung des seit 1987 regierenden Präsidenten Zine El Abidine. Denn jahrzehntelang hat sich Tunesien als Erfolgsgeschichte präsentiert, als Staat mit einer stärkeren Wirtschaft als die Nachbarn, in dem Frauenrechte geachtet werden und es kaum zu Unruhen kommt.

Doch nach Bouazizis versuchter Selbstverbrennung in der Stadt Sidi Bouzid Mitte Dezember flammten Proteste in mehreren Städten auf, die bis heute andauern und die in ihrer Intensität ungewöhnlich für Tunesien sind, da die Polizei rücksichtlos gegen jede Art von Demonstrationen vorgeht. Doch das Schicksal von Mohamed Bouazizi hat den Zorn vieler junger Menschen entfacht. Der Jungakademiker hatte versucht, ohne Genehmigung Obst und Gemüse zu verkaufen. Seine Waren wurden von der Polizei beschlagnahmt, der junge Mann wurde auch geohrfeigt. Mit einer Beschwerde wollten sich die Behörden nicht befassen. In seiner Verzweiflung übergoss er sich mit Benzin und zündete sich an.

Überraschend ist nicht, dass diese Probleme in Tunesien jetzt auftreten. Überraschend ist nur, dass das Ausland sich bisher von der "tunesischen Erfolgsgeschichte" so lange blenden hat, lassen. Das Regime duldet keinen Widerspruch in der Öffentlichkeit und wurde von den gewaltsamen Protesten selbst überrascht. Doch die weitgehend staatlich kontrollierten tunesischen Medien haben bisher kaum darüber berichtet.

Gegen teuere Lebensmittel

Die Perspektiven- und Hoffnungslosigkeit unter jungen Menschen hat mittlerweile auch im benachbarten Algerien zu Krawallen geführt. Sie protestieren in der Hauptstadt Algier und in anderen Städten vor allem gegen die rasant steigenden Lebensmittelpreise und ebenfalls gegen die hohe Arbeitslosigkeit und den Mangel an Jobs für junge Menschen. Mindestens zwei Menschen kamen bisher ums Leben.

Denkzettel Seite 8