Der zweite Prozess gegen Michail Chodorkowski hat eines klar gemacht: Das Vorgehen gegen den aufmüpfigen Oligarchen ist politisch motiviert. Wladimir Putin bemüht sich auch nicht mehr, dies zu kaschieren. Ohne das Urteil abzuwarten, sagte der Premier: "Ein Dieb muss im Gefängnis sitzen." Mit dem Auftritt räumte er alle Zweifel aus: Der Fall ist seine persönliche Angelegenheit. Als der Ex-KGB-Offizier im Jahr 2000 Präsident wurde, untersagte er den Wirtschaftsführern, sich in die Politik einzumischen. Doch Chodorkowski, der damals reichste Russe, wollte sich dem Diktat nicht beugen.

2003 wurde er verhaftet. Gleichzeitig trieben die Behörden seinen Erdölkonzern Jukos mit Steuernachforderungen in den Bankrott. Chodorkowski wurde 2005 zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt und saß seine Strafe in Sibirien ab. Ohne den aktuellen Prozess wäre er 2011 freigekommen.

Anklage wegen Transferpreisen

Deshalb holte man ihn nach Moskau zurück für ein zweites Verfahren. Die Grundlage für die Anklage ist die gleiche wie im ersten Prozess: die internen Transferpreise von Jukos. Praktisch alle Erdölfirmen Russlands wickelten ihre Geschäfte auf die gleiche Weise ab. Die Justiz ging aber nur gegen Jukos vor. Im ersten Prozess behandelte sie die Praxis als Steuerhinterziehung, im zweiten als Diebstahl.

Obwohl die Anklage absurd anmutet, ist ein Freispruch heute undenkbar. Nur das Strafmaß ist offen. Aufgrund von Putins Urteil, dürfte der Richter aber kaum Milde walten lassen.