Für die türkische Delegation wird es ernst beim Nato-Gipfel. Wenn das Bündnis über den neuen Raketenschutzschirm entscheidet, muss die Türkei Farbe bekennen. "Einen Lackmustest für die Westbindung der Türkei", nannte es Kolumnist Mehmed Ali Birand. Es geht um Radaranlagen und Anti-Raketen-Stellungen, die in der Türkei gebaut werden sollen. Die Nato will, als Ersatz für die ursprünglich in Tschechien und Polen geplanten Anlagen, ihre Mitgliedsstaaten damit vor Raketenangriffen aus Drittstaaten schützen - gemeint ist der Iran, nur genannt werden soll die Mullah-Diktatur nicht.

Für die Türkei ist der Gipfel ein außenpolitischer Eiertanz. Seit die neue Präferenz der Außenpolitik mit der Formel "Null Probleme mit den Nachbarn" beschrieben wird, bemüht sich Ankara aktiv, alle bestehenden Konflikte auszuräumen und die Beziehungen zu normalisieren.

Was sich zunächst auch für Nato und EU rundum erfreulich anhört, wird jetzt problematisch. Die türkische Regierung hat viel Zeit und Energie investiert, um mit dem Iran wieder ins Gespräch zu kommen. Neben politischen Überlegungen setzt die Türkei auf Irans Gas und Öl, um die Abhängigkeit von Russland zu minimieren.

Für dieses Ziel war die Regierung Erdogan bereit, sich wegen des iranischen Nuklearprogramms mit den USA anzulegen. Statt auf Sanktionen zu setzen, überraschte Ankara die USA damit, dass sie dem Iran (mit Brasilien) ein Uran-Austauschprogramm abrangen. Seit die Türkei daraufhin im UN-Sicherheitsrat gegen Sanktionen stimmte, sind die Beziehungen zu den USA belastet. Deshalb gerät die Stationierungs- zur Außenpolitik-Grundsatzfrage. Weigert die Türkei sich, wird das als Beweis für die Neuausrichtung von West nach Ost interpretiert.

Iran darf nicht öffentlich genannt werden

Ankara hat deshalb signalisiert, sie werde einer Stationierung zustimmen, wenn der Iran nicht als Bedrohung genannt wird und die Türkei mitentscheidet, wann die Abwehr eingesetzt werden. Denn das wird besonders heikel, wenn Israel mit US-Unterstützung die Anlagen im Iran angreifen sollte und der Iran zurückschlägt. Wenn es eine Einigung gibt, wäre das erfreulich, sagt Premier Tayyip Erdogan. Gibt es aber keine Einigung sei das für ihn auch "kein Beinbruch".