In einem Land, das gerade an einer feministischen Partei bastelt, gerät ein öffentliches Lachverbot für Frauen geradezu zum Witz. Also lacht die Türkei online gegen das öffentliche Lachverbot für Frauen des Vizepremiers Bülent Arinc an: auf sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook, Instagram, Pinterest oder Tumblr. Unter den Hashtags #kahkaha (Lachen) und #direnkahkaha (lachender Widerstand) posteten Türkinnen in den vergangenen Tagen Tausende von fröhlichen Bildern. Der Welt gefällt es. Sie lacht mit und stimmt damit in den fröhlichen Online-Protest ein.

Trotz aller Spott und Häme hat der Vizepremier nun erneut nachgelegt. Rechtzeitig zur touristischen Hochsaison kritisierte er türkische Frauen dafür, wenn sie "mit ihrem Liebhaber in die Ferien fahren, ihren Ehemann zu Hause lassen und es nicht erwarten können, an der Stange zu tanzen, wenn sie eine sehen".

Der 66-jährige Politiker sprach bei einem Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan noch einmal über sein Lieblingsthema, mit dem er es in den vergangenen Tagen zu zweifelhaftem Weltruhm brachte: Keuschheit zwischen Frau und Mann. Seither stellt er in Interviews und Reden klar, worum es ihm wirklich ging, als er türkische Frauen aufforderte, in der Öffentlichkeit nicht zu lachen - nämlich um "Scham und Moral bei Frauen und Männern". Offen bleibt, ob seine Bemerkung über die "Unsitte der Frauen, stundenlang unnützen Kram und Kochrezepte am Handy zu bereden" die Männer ein- oder ausschließt.

Aus Opfern werden Täter

Das alles wäre lustig, wenn Arinc sich nicht zu einer Begründung verstiege, die die Opfer zu Tätern macht: Wo Frauen lachen, stachelten sie männliche Begierden an, und das führe zu Gewalt gegen sie, erklärte der Politiker.

Er fragte: "Wo sind unsere Mädchen, die leicht erröten, ihre Köpfe senken und die Augen abwenden, wenn wir ihr Gesicht, das Symbol der Keuschheit, betrachten?", und er kritisierte Soap Operas im Fernsehen, "die Jugend zu Sexsüchtigen machen.". Als er nun nachlegte, bekräftigte er: "Keuschheit ist so wichtig. Sie ist eine Zierde für Frauen und Männer. Wenn sie keusch ist, wird er nicht zum Womanizer, sondern hält sich an seine Frau und liebt die Kinder."

Mit seinen konservativen Reden zur Lage der Nation hat der Vizepremier Bülent Arinc selbst Premier Tayyip Erdogan im Präsidentenwahlkampf die Show gestohlen.

Man darf sich fragen, in welchen Kreisen Arinc und das islamisch-konservative Establishment verkehren? Woher stammen die Einsichten über Ehefrauen und Stangentänze? In einem Interview antwortete er: "Ihr könnt ein solches Leben leben. Ich bin euch auch nicht böse, ihr tut mir nur leid. Ich persönlich finde, dass man keinen Ehebruch begehen sollte und verurteile ihn aufs Schärfste."

Erdogans Konkurrent Ekmeleddin Ihsanoglu hat seine Chance erkannt. Er postete auf Twitter: "Nichts brauchen wir so sehr wie das fröhliche Lachen von Frauen."

Denkzettel Seite 10