H err Professor, unsere Steuerbelastung ist hoch wie nie. Der Ärger wächst, wird die Situation langsam heikel?

WERNER DORALT: Nein, das glaube ich nicht. Die Leute müssen Steuern zahlen, sonst werden sie exekutiert. Die Regierung ist auch nicht bereit zu spüren, wie empört die Bevölkerung ist. Dass die Leute eine Steuerrevolution machen, auf die Straße gehen, ist in Österreich nicht zu erwarten.

Wäre es nicht längst Zeit für eine Steuerreform?

DORALT: Ja, sicher. Aber die budgetäre Krisensituation lässt sich ja nicht leugnen. Ich ziehe mich da nobel zurück und sage auch, Steuerreform erst dann, wenn wir's uns leisten können.

Sollten wir uns nicht Deutschland zum Vorbild nehmen, das die kalte Progression bei der Einkommensteuer entschärfen will?

DORALT: Ich bin da vorsichtig. Denn diese jährlich automatische Steuererhöhung ist in Wahrheit der Polster zur Finanzierung einer Steuerreform alle paar Jahre.

So eine Reform lässt sich anders nicht finanzieren?

DORALT: Ja, sicher. Man könnte endlich eine Verwaltungsreform machen, den Föderalismus durchforsten, wir haben zum Beispiel - ich weiß nicht, ob Sie das wissen - neun Aufzugsgesetze. Die Landtage fahren leere Kilometer, der Bundesrat ist nur dazu da, um Gesetze abzunicken und so weiter.

Darüber wird immer wieder diskutiert, aber mehr nicht, oder?

DORALT: Das ist ja das Elend. Wir schaffen offenkundig politisch keine Reform, vorher muss man offenbar die beiden Regierungsparteien abwählen.

Sie klingen ja schon richtig resignativ, nicht wahr?

DORALT: Ja, eh, sowieso bin ich resigniert und angefressen, hören Sie's nicht? Die Regierung ist ja auch nicht bereit, etwa die Parteibuchwirtschaft endlich abzuschaffen. So werden Verfassungsrichter nach wie vor nach der Parteizugehörigkeit ausgesucht.

Aber es scheint nun Bewegung zu geben, angeblich wird jetzt eine Steuerreformkommission, geführt von Steuersektionschef Gunter Mayr, zusammengestellt. Deutet das nicht auf eine Reform hin?

DORALT: Politisch, wenn überhaupt, wird traditionell erst vor dem Auslaufen der Legislaturperiode die Steuer reformiert. Bis dahin haben wir, wenn ich richtig zähle, noch vier Jahre Zeit.

An eine rasche und frühere Reform glauben Sie gar nicht?

DORALT: Früher machen sie höchstens irgendeine Zwutschkerl-Reform, damit die Leut eine Ruhe geben. Aber etwas Nennenswertes wird es früher mit ziemlicher Sicherheit nicht geben.

Finanzminister Spindelegger denkt darüber nach, Ausnahmen im Steuerrecht zu streichen, oder daran, die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungen zu harmonisieren. Offenbar will er bei den Steuern reformieren.

DORALT: Dann soll er zunächst einmal die mehr als 20 Sozialversicherungsträger zusammenführen. Viel Vergnügen. Das schafft er nicht. Warum? Weil sich das im halb parteipolitischen Bereich abspielt. Da geht nichts.

Sind Sie nicht allzu pessimistisch, Herr Professor?

DORALT: Nein, überhaupt nicht. Da gibt es ja noch ganz andere arge Erscheinungen, die auch zum Thema gehören.

Nämlich?

DORALT: Mit schuld, dass Kärnten in diese Malaise kam, ist auch das Fehlen einer einheitlichen Rechnungslegung in Österreich, die den Namen verdiente. Nach der Finanzverfassung hat der Herr Vizekanzler und Finanzminister das Recht, im Wege einer Verordnung entsprechende Rechnungslegungsvorschriften anzuordnen. Dann könnte man endlich auch die Finanzlage der Gebietskörperschaften klar erkennen. Es ist doch ungeheuerlich, bitte lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen: Wir haben keine Rechnungslegung in Österreich, an der man etwa drohende Haftungen erkennen könnte.

Das lasten Sie allein dem Finanzminister Spindelegger an?

DORALT: Er muss sich schon fragen lassen, warum er seine Verordnungsermächtigung nicht nutzt. Das ist doch fahrlässige Krida, die er mit unserem Staat betreibt, wenn er die Gebietskörperschaften nicht zu dem zwingt, was jeder kleine Kaufmann machen muss. Das ist doch unglaublich, dass sich Spindelegger weigert, weil er mit seinen ÖVP-Landeshauptleuten nicht zurande kommt.