Herr Professor, seit fünf Jahrzehnten warnen Experten, das Pensionssystem sei bald unfinanzierbar. Jetzt wieder. Warum sollte man das jetzt ernst nehmen? ROBERT HOLZMANN: Die Warnungen waren damals wahr und sie stimmen noch immer.

Wann ist denn unser Pensionssystem jemals kollabiert? HOLZMANN: Das nicht, aber es ist extrem teuer geworden. Mit rund 15 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Pensionsausgaben sehr hoch.

Ist die Rechnung fair? Da wird doch vieles dazugezählt, das mit Pensionen nichts zu tun hat. HOLZMANN: Die 15 Prozent weisen alle Statistiken in Form von Pensionen und pensionsähnlichen Leistungen aus. Österreich ist jedenfalls ein ernsthafter Bewerber um den Titel des Weltmeisters bei den staatlich finanzierten Pensionsausgaben.

Sind nicht auch die Pensionseinkünfte rekordverdächtig? HOLZMANN: Richtig. Aber damit wird Geld verteilt, das uns dann anderswo fehlt.

Wo sehen Sie das Hauptproblem unseres Pensionssystems? HOLZMANN: Das Hauptproblem sind die hohen Ausgaben, weil wir zu hohe Pensionen zu früh bezahlen.

Was heißt zu hohe Pensionen? Vergleichen Sie dabei Österreich mit Entwicklungsländern? HOLZMANN: Österreich ersetzt rund 80 Prozent des Einkommens, das ist die Zielvorgabe. Dabei wird zu viel Geld aus jungen Jahren in das Alter verbracht, das in der Pension oft dazu verwendet wird, um Kinder und Enkel finanziell zu unterstützten.

Und wie schaut es bei den Beamten aus? HOLZMANN: In Österreich bekommen Beamte in der Pension, auf Lebenssumme gerechnet, mehr Geld als in ihrer Aktivzeit. Das ist eine Absurdität.

Jetzt wird versucht, das faktische Pensionsalter zu erhöhen, um die Kassen zu entlasten. Löst das die Probleme? HOLZMANN: Das allein genügt nicht. Auch das Pensionsalter muss, entsprechend der steigenden Lebenswartung, regelmäßig angehoben werden.

Wie weit, bis 67 oder 70 Jahren? HOLZMANN: Das kann auch noch mehr werden. Es muss proportional zur Lebenserwartung steigen.

Damit ist dann alles geritzt? HOLZMANN: Nein. Wirklich Sanieren lässt sich das Pensionssystem nur über den Arbeitsmarkt.

Wie denn? Ältere finden doch kaum mehr einen Job. HOLZMANN: Das ist schlichtweg falsch, das es für Ältere keine Jobs gibt. Der Staat muss den Arbeitsmarkt überdenken, neu ordnen. Wesentlicher Punkt dabei ist der Abbau von geistigen Schranken bei Politikern aber auch Arbeitnehmern. Es gibt genug zu tun. Wenn man gesund, ausgebildet und motiviert ist, findet man Arbeit. Leider sind ältere Arbeitnehmer oft zu teuer. Das ist falsch in einer alternden Gesellschaft. Gewerkschaft und Arbeitgeber müssen auch da aufwachen und darauf reagieren.

Das schafft noch keine Jobs. HOLZMANN: Es gibt die Jobs, es müssen nur die Schranken in den Köpfen weg. Man muss auch die Selbstständigkeit erleichtern, darf die Leute nicht zwingen, alle möglichen Beiträge zu zahlen und muss steuerliche Anreize schaffen. Mur mehr neue Jobs können das Pensionssystem absichern.

Ein wachsendes Problem sind immer mehr Brüche im Erwerbsleben, Arbeitslosigkeit, schlecht bezahlte oder Arbeit in Teilzeit. Wie sollen Betroffene genug Pensionsbeiträge zahlen können, um später von einer Pension leben zu können? HOLZMANN: Das ist wirklich ein schwerwiegendes Problem. Da wird der Staat Beiträge ergänzen müssen. Es dürfen aber keiner Dauersubventionen entstehen. Noch besser wäre es allerdings, der Staat lockerte, befreite den Arbeitsmarkt, um das Problem zu entschärfen.

Sind Behauptungen, Junge würden keine oder kaum noch eine staatliche Pension erhalten, nicht pure überzogene Angstmacherei von geschäftstüchtigen Akteuren? HOLZMANN: Das ist absolut richtig, es ist vollkommen überzogen. Privatpensionen sind flankierend sinnvoll, so wie Sparen für das Alter. Für die Grundversorgung ist die österreichische Pension jetzt und auch in Zukunft hoch genug.