Der Ort seiner Haft ist unbekannt. Verhört wurde er ohne Beistand eines Anwalts. Die EU-Außenbeauftragte Cathrin Ashton sah ihn, nach einem Helikopterflug zwar nicht mit Augenbinde, aber ohne Handy und Leibwächter. Mit der Familie durfte er bisher zweimal telefonieren. Mohammed Mursi, am 3. Juli entmachtet, wird vom ägyptischen Militär hermetisch abgeschirmt.

Vorwurf: Anstiftung zum Mord

So ist noch gar nicht sicher, dass der Islamist dem Gericht vorgeführt wird, wenn an diesem Montag der Prozess gegen ihn und 14 Spitzenfunktionäre der Muslimbruderschaft und Mitarbeiter seines Präsidentenstabes beginnt. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Anstiftung zum Mord vor. Kern der Anklage sind blutige Zusammenstöße vor dem Präsidentenpalast in Kairo im Dezember des Vorjahres, als Mursi in diesem noch amtierte. Zehn Menschen starben, als islamistische Schlägertrupps Mursi-feindliche Demonstranten vor dem Palast angriffen. Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass Mursi und die anderen Angeklagten die Schlägertrupps gesteuert haben.

Die Muslimbrüder sehen die Geschehnisse naturgemäß anders. Ihrer Darstellung zufolge sei die Gewalt von den Demonstranten ausgegangen. Polizei und Präsidentengarde hätten sich geweigert einzuschreiten. Die eigenen Anhänger seien in der Folge nicht zu stoppen gewesen. Außerdem habe es auch unter ihnen Tote gegeben.

Unter normalen Umständen hätte ein ordentliches, unabhängiges Gericht gute Chancen, die Wahrheit zu ermitteln. Doch die Gegebenheiten im heutigen Ägypten sind von Normalität weit entfernt. Das Militär hat die Muslimbrüder nicht nur entmachtet, sondern verfolgt sie darüber hinaus noch gnadenlos. Fast alle ihrer Spitzenpolitiker sitzen in Untersuchungshaft. Ihre weitgehend friedlichen Proteste haben die Sicherheitskräfte blutig unterdrückt. Ihre Organisation wurde formell verboten. Sie arbeitet im Untergrund weiter.

Der Prozess soll in der Polizeiakademie von Neu-Kairo über die Bühne gehen. Dort hatte bereits das Verfahren gegen den 2011 gestürzten Langzeit-Machthaber Hosni Mubarak stattgefunden. Ursprünglich war in Kairo spekuliert worden, dass der Mursi-Prozess in der Polizeiakademie in Tora abgehalten würde. Diese liegt in unmittelbarer Nähe zum berüchtigten Zentralgefängnis von Tora, in dem Mursis Mitangeklagte inhaftiert sind.

Doch auch die Muslimbrüder sind derzeit nicht an einer Rückkehr zur Normalität interessiert. In ihnen lebt die Fiktion, dass Mohammed Mursi der amtierende Präsident Ägyptens ist. Die gewaltsame Entfernung des in Direktwahl gewählten Präsidenten ist für sie ein Putsch, mit dem ein Zustand außerhalb jeglicher Gesetzlichkeit geschaffen worden sei.

Verzicht auf anwaltliche Vertretung

Dem will Mursi auch seine Strategie vor Gericht unterordnen, wie im Vorfeld des Prozesses bekannt wurde. Der Islamist will auf jede Verteidigung durch einen Anwalt verzichten, weil er das Verfahren als solches nicht anerkennt. Rechtsanwälte seines Juristenteams würden den Prozess lediglich "beobachten", hieß es. Man darf mit einem sehr politischen Auftretens Mursis rechnen, so er dem Gericht überhaupt vorgeführt wird und das Wort erteilt bekommt.

Die Muslimbruderschaft ruft für den Tag des Prozessbeginns ihre Anhänger zu neuen Großdemonstrationen unter dem Motto "Prozess des Volkswillens" auf. Die Islamisten hoffen immer noch darauf, mit Millionenmassen auf den Straßen das Land lahmlegen und die Militärs zum Rückzug zwingen zu können. Doch das war schon im Sommer, unmittelbar nach dem Umsturz, illusorisch. Zwar nicht Millionen, aber immerhin Hunderttausende waren ihren damaligen Aufrufen gefolgt.

Die Sicherheitskräfte trieben die Dauerkundgebungen Mitte August gewaltsam auseinander, rund 1.000 Tote blieben zurück. Für den Montag hat das Innenministerium erneut angekündigt, "alle zu Gebote stehenden Mittel einzusetzen, um Chaos nicht zuzulassen".