Die Reform des Lehrerdienstrechts, die Ganztagsschule, die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen – alle Jahre wieder beginnen die Reformdebatten von Neuem und werden von Koalitionspartnern und Lehrergewerkschaftern flugs in die nächste Warteschleife entsorgt. Schüler, deren Ferien enden, haben ab Montag ganz andere Sorgen. Sie müssen im Morgengrauen aus dem Bett, zum Bus hetzen, damit sie zwischen 7.30 und 7.45 Uhr – oft unkonzentriert und nur wenig ausgeschlafen – im Klassenzimmer Platz nehmen.

- Es scheitert an der gesellschaftlichen Realität

Elisabeth Meixner, Landesschulratspräsidentin: Bei all dem Wissen um die Wichtigkeit von genügend Schlaf muss uns klar sein, dass mit einer Verschiebung des Unterrichtsbeginns eine komplette Systemumstellung des öffentlichen und privaten Lebens einhergehen würde. Viele Bereiche wären betroffen: etwa die Berufstätigkeit der Eltern, die Arbeitszeitsituation in den Betrieben, der öffentliche Verkehr und die Beschaffenheit des Schulsystems. Die Frage erstreckt sich weit über die Schule hinaus und scheitert an der gesellschaftlichen Realität.

- Sohn bliebe bei späterem Beginn wenig Freizeit

Manuela Soucek, Verkäuferin und Mutter, Peggau: Zu Beginn des Schuljahres fällt es meinem Sohn schwer, so früh aufzustehen. Sobald er jedoch in den Rhythmus gefunden hat, ist es für ihn kein Problem mehr. Ich finde, dass der frühe Schulbeginn in Ordnung ist. Ich kann so Beruf und Kind gut unter einen Hut bringen, mein Sohn hat außerdem viele Interessen und macht sehr gerne Sport. Bei späterem Beginn bliebe nach den Aufgaben nicht mehr viel Freizeit.

+ Um 5.30 Uhr aus der Tiefschlafphase gerissen

Andreas Salcher, Autor und Bildungsexperte: 7.30 Uhr Schulbeginn bedeutet für viele Kinder im ländlichen Bereich, dass sie um 5.30 Uhr aus ihrer Tiefschlafphase gerissen werden und zwei Stunden später bei Unterrichtsbeginn nicht aufnahmefähig sind. Laut Gehirnforschung ist z. B. eine Mathematikstunde um diese Zeit umsonst. Sollen unsere Kinder in die Zwänge der Arbeitswelt gepresst werden, auch wenn das nachweisbar zu ihrem Nachteil ist, oder schaffen wir es, uns vermehrt an ihren Bedürfnissen zu orientieren? In Skandinavien ist mein Vorschlag eines Unterrichtsbeginns um 9 Uhr verwirklicht. Die Schüler erbringen deutlich bessere Leistungen und die Wirtschaft ist auch nicht zusammengebrochen.

+ Für ältere Schüler ist ein späterer Beginn besser

Reinhold Kerbl, Präsident der österreichischen Kinder- und Jugendärzte: Entscheidend ist, ob das Kind vor dem Schulbeginn genügend Schlaf bekommen hat – was wiederum auch von Zubettgehzeiten abhängt. Außerdem gibt es auch bei Kindern Morgen- oder Abendtypen. So gesehen müsste es für jedes Kind einen individuellen Schulbeginn geben. Da Jugendliche aber großteils Abendtypen sind, wäre es in den höheren Schulstufen sinnvoll, wenn die Schule später beginnen würde.

+ Mit späterem Schulbeginn wäre sehr geholfen

Wolfgang Planegger, technischer Angestellter und Vater, Brückel: Wenn die Schule in der Früh um eine Viertel- oder halbe Stunde später beginnen würde, wäre uns schon sehr geholfen. Unsere beiden Söhne haben einen sehr weiten Schulweg und müssen daher schon sehr früh aufstehen. Durch einen späteren Schulbeginn könnten unsere Söhne länger schlafen und hätten am Nachmittag trotzdem noch genug Zeit für ihre Interessen.

+ Später beginnen und Unterricht auch nachmittags

Eva Ponsold, Direktorin des Grazer Wiku BRG: Ich bin ja Frühaufsteherin. Aber alle Studien sprechen dafür, dass der Biorhythmus der Kinder und Jugendlichen viel später hochfährt – wie man auch im Buch „Das pubertierende Gehirn“ nachlesen kann. Daher spricht alles dafür, dass die Schule später beginnt: Bei uns geht es um 7.35 Uhr los, ideal wäre es – wie in Großbritannien – um 9 Uhr. Das bedeutet natürlich auch, dass eine neue Rhythmisierung des Schultages stattfinden muss. Die Konsequenz daraus ist natürlich auch Unterricht am Nachmittag mit unterbrechenden Freizeit- und Erholungsphasen.

- Auch im Berufsleben beginnt der Tag meist früh

Michael Paukovitsch, AHS-Landesschulsprecher: Grundsätzlich gibt es Studien, die für einen späteren Schulbeginn sprechen. Aber ich bin der Meinung, dass ein Schulbeginn um 8 Uhr völlig okay ist. Wenn man ehrlich ist, gehen einige Schüler am Vorabend einfach zu spät schlafen. Ich selbst kann aus Erfahrung sagen, dass auch ein Schulbeginn um 7:30 machbar ist. Man muss sich schon bewusst sein, dass auch später im Berufsleben der Arbeitstag meist früh beginnt. Begänne der Schultag später, hätten viele Schüler nicht mehr die Möglichkeit ihre Freizeit so zu gestalten, wie sie es jetzt können.