E s war kein Zufall: Am 28. August 2008 nominierten die US-Demokraten Barack Obama zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Auf den Tag genau 45 Jahre nach der berühmten Ansprache, in der Bürgerrechtler Martin Luther King erklärt hatte: "Ich habe einen Traum." Kings Traum vom Ende des Rassismus und der Gleichberechtigung aller Hautfarben kam mit Obamas Nominierung seiner Erfüllung ein Stück näher - allerdings nur ein kleines.

"Amerika wird nicht ruhen, solange die Schwarzen nicht ihre vollen Bürgerrechte genießen", hatte King damals vor Hunderttausenden Zuhörern in Washington gesagt. "Ich habe einen Traum, dass meine vier Kinder eines Tages in einer Nation leben, wo sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern ihrem Charakter beurteilt werden", sagte King in seiner historischen Rede am 28. August 1963, also vor 50 Jahren, vor etwa 250.000 Zuschauern vor dem Lincoln Memorial in Washington.

Bei seiner mittlerweile ebenfalls historischen Ansprache 2008 in Denver knüpfte Obama, damals noch Senator, an Martin Luther Kings Rede an. Obama sprach zu einem Amerika, in dem die Diskriminierung von Minderheiten gesetzlich verboten ist. Zu Zeiten Kings war die Rassentrennung eine Selbstverständlichkeit: Es gab Parks, Toiletten, Hotels, Schulen und Trinkbrunnen speziell für Schwarze; Statuten untersagten Liebesbeziehungen zwischen Schwarzen und Weißen; Schwarze wurden mit öffentlicher Billigung niedergeschlagen und gelyncht. Am 19. Juni 1964 wurde schließlich das Bürgerrechtsgesetz verkündet, in dem die Rassentrennung aufgehoben wurde.

Doch in den mittlerweile fünf Jahrzehnten seit Kings Rede sind die Diskussionen über die Diskriminierung nicht abgerissen. So wird immer noch über Immobilienmakler berichtet, die Weißen keine gemischtrassischen Wohngebiete empfehlen. Über schwarze Paare, die trotz guter Jobs keine Wohnung bekommen. Und darüber, dass Schwarze deutlich häufiger zum Tode verurteilt werden als Weiße. "Alles hat sich geändert und nichts hat sich geändert", sagt Pastor Joseph Lowery, ein langjähriger Weggefährte Kings.

Seit Jahren sagen die Amerikaner in Umfragen, dass sie Rassismus immer noch für ein Problem der US-Gesellschaft halten, selbst aber keine Rassisten seien. Vor einem Jahr fand das Meinungsforschungsinstitut Pew heraus, dass 82 Prozent der befragten Weißen eine positive Meinung von Schwarzen haben. 80 Prozent der Schwarzen äußerten das Gleiche über Weiße. Und 94 Prozent der Amerikaner haben in einer anderen Umfrage erklärt, sie würden bei der US-Präsidentschaftswahl für einen schwarzen Kandidaten stimmen. 1967 waren es nur 53 Prozent.

Allerdings sagten die befragten Schwarzen auch, dass sie bei Bewerbungen und bei der Wohnungssuche oft benachteiligt würden. Weiße sagten mehrheitlich, sie glaubten nicht, dass Schwarze in solchen Situationen mit Vorurteilen zu kämpfen hätten. Die Teilnahme von Schwarzen am politischen Prozess "ist ziemlich bemerkenswert im Vergleich zu Kings Zeiten", sagt der Wissenschaftler David Bositis. 1969 waren neun der 435 Mitglieder im US-Repräsentantenhaus Farbige. Heute sind es 43. In den 60er-Jahren hatten rund 300 Schwarze Ämter auf Ebene der US-Staaten und Gemeinden inne. Heute sind es rund 10.000.

Und doch spielt die Hautfarbe auch im politischen System der Vereinigten Staaten nach wie vor eine große Rolle. Seit den 60er- Jahren geben Schwarze ihre Stimme mehrheitlich den Demokraten. Seit 1964 hat kein einziger demokratischer Bewerber eine Mehrheit der Stimmen der weißen Bevölkerung für sich gewinnen können.

150 Jahre nach dem "offiziellen" Ende der Sklaverei, gut vier Jahrzehnte nach der Bürgerrechtsbewegung sind Errungenschaften wie Wahlrecht und gleiche Rechte für Afroamerikaner längst selbstverständlich, gilt rassistische Diskriminierung als illegal und als Tabu, und die Schranken zwischen Schwarz und Weiß werden zusehends niedriger und zusehends durchlässiger - doch schmerzlich spürbar sind sie immer noch.

"Wir sind eine bessere Nation geworden", kommentiert der schwarze Politiker Jesse Jackson mit Blick auf den erreichten Fortschritt. Doch im selben Atemzug fügt er hinzu: "Wir sind frei, aber wir sind nicht gleich." Das "Gelobte Land", das der Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Martin Luther King kurz vor seiner Ermordung 1968 am Horizont wähnte - es liegt immer noch in weiter Ferne.