Bald wählen wir den Nationalrat, im Wahlkampf spielt das Thema Europa aber keine Rolle. Wieso eigentlich?

OTHMAR KARAS: Auch mir fällt das auf und das ist bedauerlich. Immerhin ist Europapolitik ein wichtiger Teil der Innenpolitik.

Auch in der ÖVP, die sich stolz Europapartei nennt, kommt das Thema Europa zu kurz. Wie konnte das geschehen?

KARAS: Es kommt bei allen Parteien zu kurz. Der echte Wahlkampf hat eben noch nicht begonnen, es liegen nur die Wahlprogramme der Parteien vor. Wer sich die anschaut, stellt fest: Der europapolitische Gehalt ist sehr dünn. Initiativen fehlen nahezu vollständig. Die EU muss Bestandteil der Kommunikationsarbeit aller Parteien sein und darf nicht auf die Europa-Parlamentswahl am 20. Mai 2014 reduziert werden.

Kann es sein, dass ÖVP und SPÖ die falschen Europathemen haben, wenn man sie mit den populistischen Botschaften mancher Parteien am rechten Rand vergleicht, die ein mehr oder weniger forsches Nein zu Europa hören lassen?

KARAS: Extreme Positionen zu vertreten, ist plakativ und einfach. Für uns ist die Frage nicht, ob wir zu Europa und dem Rest der Welt gehören wollen, sondern wie wir die EU mitgestalten und welche Rolle unser Kontinent in der Welt haben soll.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie man Europa den Bürgern besser deutlich machen kann?

KARAS: Der Knackpunkt ist immer der gleiche: 70 Prozent der österreichischen Gesetze haben einen europapolitischen Rahmen. Die großen Fragen Wirtschaft, Beschäftigung, Finanzen, Wettbewerbsfähigkeit, Forschung oder soziale Sicherheit sind ohne eine starke Europäische Union nicht meisterbar. Ohne die EU kann Österreich alleine die Herausforderungen der Globalisierung nicht erfolgreich bewältigen.

Meiden ÖVP und SPÖ das Thema EU deshalb, weil die Menschen Europa mittlerweile mit der Krise identifizieren?

KARAS: Hoffentlich nicht. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Probleme sind nur dadurch lösbar, dass man anpackt, nicht dadurch, dass man wegschaut. Natürlich leben wir in schwierigen Zeiten. Es läuft nicht rund. Es hat aber keinen Sinn, vor der Realität zu flüchten. Ich trete immer dafür ein, den Stier offensiv bei den Hörnern zu packen und offensiv auf die Themen zuzugehen.

Kennen Sie ein Thema, eine Botschaft, um Europa bei den Bürgern attraktiver zu machen?

KARAS: Die Entwicklung der EU hat Österreich vom Rand ins Zentrum Europas gerückt. Seit unserem Beitritt 1995 haben sich unsere Exporte verdreifacht. Deshalb ist die EU ein Mehrwert für Beschäftigung und Wachstum in Österreich. Kein EU-Land hat so sehr von der EU-Erweiterung profitiert wie wir. Die EU ist ein Mehrwert für alle Schüler und Studenten, die an internationalen Programmen teilnehmen. Die EU ist ein Mehrwert für jede Gemeinde, die EU-Hilfen durch die Regionalförderung, durch die Leader-Programme oder durch die Programme zur ländlichen Entwicklung bekommt. Die EU macht das Reisen einfacher, die Menschen mobiler, das Telefonieren billiger, das Einkaufen im Internet sicherer. Die EU ist ein Mehrwert für Österreich.