Herr Dogudan, sind unsere Politiker "feig und blöd"?

ATTILA DOGUDAN: Nein, das würde ich so nicht sagen.

Sie haben das aber vor zwei Jahren auch behauptet, als Erste-Chef Andreas Treichl Politiker so bezeichnete.

DOGUDAN: Ich glaube, dass Manager öfter das Gefühl haben, mit ihren Problemen alleingelassen zu werden. Es geht im Kern ja darum, wie der Wohlstand in diesem Land gesichert werden kann. In der Wirtschaft fragt man sich wirklich fast täglich: Warum dauert alles so lange? Politiker haben freilich das Problem, dass sie viele Klienten bedienen müssen und nicht so rasch entscheiden können wie Unternehmer.

Sie sind als Zehnjähriger von Istanbul nach Österreich gekommen. Fühlen Sie sich heute eher als Österreicher oder als Türke?

DOGUDAN: Der Ordnung halber: Meine Mutter ist aus Wien, der Vater aus der Türkei. Ich habe die Volksschule in Istanbul besucht, bin aber in beiden Ländern aufgewachsen. Ich war immer ein halbes Jahr hier und ein halbes Jahr dort. Ich bin heute noch immer in beiden Ländern zu Hause.

Wo stehen Sie denn bei der aktuellen Auseinandersetzung der türkischen Demonstranten im Istanbuler Gezi-Park mit der Regierung Erdo?an?

DOGUDAN: Die Türkei hat aus meiner Sicht eine gute Führung und hat sich in den letzten zehn Jahren hervorragend entwickelt. Das Durchschnittseinkommen ist stark gestiegen, der Bevölkerung geht es viel besser. In einem Land mit einer vergleichbar jungen Demokratie müssen gewisse Entwicklungen eben erst stattfinden.

Sympathie für die Demos?

DOGUDAN: Man muss beide Teile verstehen und darf nicht leichtfertig urteilen, wenn man das Land innenpolitisch nicht kennt. Europa interpretiert einiges anders, als es ist. Ich bin überzeugt, dass die Regierung die richtigen, verbindenden Schritte setzen wird.

Angenommen, Sie wären plötzlich allmächtiger Kaiser von Österreich - was würden Sie ändern?

DOGUDAN: So ein Blödsinn (lacht). Man muss in Österreich im Konsens drei Dinge vorantreiben, nämlich Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. Fast genauso wichtig ist die Bildung. Man kann es gar nicht oft genug sagen, dass es außer Bildung fast nichts gibt, das uns wirklich weiterbringt. Der dritte Punkt wäre eine wettbewerbsfähige Grundkultur: Alle Menschen müssen verstehen, dass wir in allem ein bisschen wettbewerbsfähiger werden müssen, um den Wohlstand dauerhaft zu sichern.

Wo sehen Sie denn die größten Defizite?

DOGUDAN: Wir leben hier wahrscheinlich in einem der drei besten Länder der Welt, trotz aller Schlechtmachereien, weil unser Volk so gern motzt. Ich bin 90 Prozent im Ausland, ich würde Österreich gegen kein Land eintauschen wollen. Unsere Regierung macht einen guten Job, wenngleich man alles besser machen kann.

Passen wir uns den von der Globalisierung ausgelösten Zwängen rasch genug an?

DOGUDAN: Es müsste alles eine Spur rascher gehen. Das weiß die Politik. Wenn ich der Politik etwas vorzuwerfen habe, dann, dass sie unangenehme Wahrheiten deutlicher, klarer aussprechen sollte.

Was meinen Sie konkret?

DOGUDAN: Alle müssen einen Beitrag leisten, nicht nur einzelne Gruppen. Solidarisch wäre es, wenn die Gesellschaft, jeder Einzelne, zu gleichen Kosten mehr leisten würde. Da reißt sich keiner einen Haxen aus. Das ist ein wirksames Konzept, um den Wohlstand zu sichern.

Gehen die Reformen in der Bildung schnell genug?

DOGUDAN: Nein, natürlich nicht. Dort gibt es sicher die größte Verspätung. Ich bin auch der Meinung, dass wir schon im Kindergarten, in der Volksschule mit Sprachen beginnen müssten. Warum holen wir zum Beispiel heute nicht aus Spanien, wo eine große Arbeitslosigkeit herrscht, 1000 Spanier, die unseren Kindern ihre Sprache beibringen? Jeder Jugendliche sollte drei Sprachen können, ab der Mittelschule auch eine vierte.

Sind Ihre Mitarbeiter gut genug ausgebildet?

DOGUDAN: Es könnte besser sein bei Sprachen und der Grundeinstellung zum Wettbewerb.

Was heißt Letzteres?

DOGUDAN: In unserer Dienstleistungsbranche ist es wie beim Wettkampf. Wenn wir auch noch die Extrameile laufen, können wir ohne Änderung unserer sozialen Ansprüche weitermachen.

Wie stehen Sie als Dienstgeber zur Gewerkschaft?

DOGUDAN: Die Arbeitnehmerinteressen müssen natürlich vertreten werden. Ich glaube aber, dass die Gewerkschaft viele Dinge nicht mehr so sehen darf wie zu Zeiten der industriellen Revolution. Sie betreibt noch immer Klassenkampf, unterscheidet zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer. Zeigen Sie mir heute einen Unternehmer, der mit unzufriedenen Mitarbeitern eine gute Leistung erbringt. Das gibt es nicht.

Sie gelten als Spitzengastronom, als erfolgreichster Caterer der Welt, der jährlich 100 Millionen Essen verkauft, und vor allem als einer, der weiß, was gut schmeckt. Essen die Österreicher vernünftig und gut?

DOGUDAN: Sie essen ohne Zweifel qualitätsbewusst. Das wird auch immer besser. Während in Amerika Leute ihr Leben lang Junkfood essen, geht man hier auf eine Alm und trinkt gute Milch, isst gescheite Butter. Es entstehen immer mehr Bäckereien, die wirklich ein gutes Produkt liefern. Das ist keine Frage des Geldes, sondern der Kultur. Was leider nicht steigt, ist die Bereitschaft, für gutes Essen gutes Geld auszugeben. Jeder will ein Freilandhuhn, zahlen aber nur für ein Hendl aus der Legebatterie.

Sie haben vor ein paar Monaten das Projekt "Unternehmen Österreich 2025" von ÖVP-Chef Michael Spindelegger unterstützt. Hat sich's gelohnt?

DOGUDAN: Ich unterstütze alles in diesem Land, egal ob es um ÖVP oder SPÖ geht, was uns nützt. Ich sehe das nicht parteipolitisch, das ist mir völlig wurscht. Ich will nur diesem Land, das auch mir viel gegeben hat, etwas zurückgeben.

Sie sind auch "Integrationsbotschafter" für ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz. Was machen Sie dort, sind Sie so etwas wie sein Vorzeige-Türke?

DOGUDAN: Ich versuche mit Jugendlichen in Schulen zu reden, zu erklären, wie wichtig Bildung für späteren Wohlstand ist. Ausgewählt worden bin ich wohl wegen meiner türkischen Wurzeln, mir ist das aber völlig egal.

Sind Sie mit den Vorbehalten auch von Österreich gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei einverstanden?

DOGUDAN: Nein, das halte ich für falsch. Der Verzicht auf die Türkei ist für Europa politisch und wirtschaftlich ein Fehler.

Wo ist Ihr Lebensmittelpunkt? Ihre Frau lebt ja in Barcelona.

DOGUDAN: Ich lebe hauptsächlich im Flugzeug. Meine Familie ist verteilt in der ganzen Welt. Meine Kinder sind 26 und 28, einer macht Formel 1, meine Frau pendelt zwischen Wien und Barcelona. Es gibt einen Fixpunkt, nämlich gemeinsame Weihnachten in Spanien.

Sind Sie noch immer ein guter Freund von Niki Lauda, dem Sie eigentlich sehr dankbar sein müssten?

DOGUDAN: Ja, das bin ich. Ich hatte am Anfang einen kleinen Delikatessenladen in Wien, Niki Lauda war einer der Gäste und er fragte mich, ob er so ein gutes Essen auch für seine Flugzeuge haben könnte. So simpel hat alles begonnen.

Sie sind öfter bei politischen Veranstaltungen zu sehen. Haben Sie Lust auf die Politik?

DOGUDAN: Mein Job ist die Wirtschaft. Do & Co hat heute knapp 8000 Beschäftigte, macht drei Viertel des Umsatzes im Ausland. In der Politik habe ich gar nichts zu suchen. Ich tue maximal meine Meinung kund, wenn ich gefragt werde und helfen kann.

Wo zahlen Sie Steuern?

DOGUDAN: Ich und der ganze Konzern, wir zahlen alle Steuern in Österreich.