Nach Luftangriffen auf Ziele in Syrien hat Israel am Sonntag aus Furcht vor Vergeltung den Luftraum im Norden des Landes für zivile Flugzeuge gesperrt. Das berichtete der israelische Rundfunk. Die israelische Fluggesellschaft Arkia kündigte an, alle Flüge aus der nördlichen Hafenstadt Haifa nach Eilat am Roten Meer im Süden des Landes auszusetzen. Eine israelische Militärsprecherin wollte dazu keine näheren Details geben und verwies lediglich auf die Zusammenarbeit zwischen der Zivilluftfahrt, der Luftwaffe und der Flughafenbehörde in Israel bei der Lagebeurteilung.

Syrien spricht von "Kriegserklärung"

Schon zum dritten Mal in diesem Jahr bombardiert die israelische Luftwaffe ein Ziel nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus. Doch der Angriff in der Nacht auf Sonntag ist bisher mit Abstand der heftigste: Einwohner berichten von grellen Lichtblitzen und starken Druckwellen. Mit den Luftangriffen verfolgt Israel nach Medienberichten eine ganz klare Absicht: Die Lieferung iranischer Raketen an die feindliche libanesische Hisbollah-Miliz soll verhindert werden.

Der syrische Vize-Außenminister Faisal al-Mekdad hat den neuerlichen israelischen Angriff auf ein Ziel in Syrien in einem Interview mit CNN als "Kriegserklärung" bezeichnet. Die Attacke stelle eine Allianz der islamistischen Aufständischen mit Israel dar. Syrien werde zur rechten Zeit und auf die richtige Art antworten.

Israel hat keinerlei Ambitionen, sich darüber hinaus in den blutigen Syrienkrieg einzumischen. Doch mit den massiven Luftangriffen im Herzen des nördlichen Nachbarlands riskiert es trotzdem eine gefährliche Zuspitzung der explosiven Lage in der Region. Ein israelischer Radiokommentator sprach am Sonntag von der "größten Kriegshandlung zwischen Israel und Syrien seit (dem Yom-Kippur-Krieg) von 1973" - also seit vier Jahrzehnten.

"Offener Kampf" in Syrien

Israel und sein Erzfeind Iran lieferten sich inzwischen einen "offenen Kampf" auf syrischem Gebiet, meinte der Kommentator. Teheran benutzt Syrien schon seit Jahren als Transitland für Waffenlieferungen an die Hisbollah. Israels größte Sorge ist es, in den Kriegswirren und angesichts der zunehmenden Destabilisierung des Regimes von Bashar al-Assad könnten gefährliche Chemiewaffen in die Hände der Hisbollah gelangen. Diese Waffen werden als "Game changer" angesehen - sie würden das militärische Kräfteverhältnis zwischen den Kontrahenten grundlegend verändern.

Doch auch die Lieferung anderer, konventioneller Waffen gelten für Israel als "rote Linie", die nicht überschritten werden darf. Die jüngsten Luftangriffe auf ein Armeezentrum nördlich von Damaskus zielten nach Angaben des israelischen Rundfunks auf einen Konvoi mit iranischen Raketen des Typs Fateh-110 für die Hisbollah. Sie gelten als zielsicher und haben eine Reichweite von etwa 300 Kilometern - also tief in israelisches Gebiet. Israel betrachtet solche Waffenlieferungen als "tickende Bombe", die gestoppt werden muss.

Raketen des Typs Fateh-110 könnten mit konventionellen Sprengköpfen bestückt werden, sagte die gut informierte israelische Militärkorrespondentin Carmela Menashe am Sonntag. "Sie können etwa eine halbe Tonne Sprengstoff tragen und natürlich Israel treffen."

Israels ehemaliger Verteidigungsminister und Ex-Generalstabschef Shaul Mofaz sagte, der Angriff sende eine Botschaft an alle Feinde Israels, nicht nur den Iran. Hisbollah versuche mit dem Zusammenbruch der Strukturen in Syrien seine Machtposition in der Region auszuweiten und der Iran helfe der libanesischen Miliz dabei.

Waffenieferungen mit syrischer Zustimmung

Der Syrien-Experte Eyal Zisser sagte der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag, Assad verstehe durchaus, dass die israelischen Angriffe gegen den Iran und Hisbollah und nicht gegen Syrien gerichtet seien. "Im Moment ist die Tendenz aller Beteiligten, die Lage zu beruhigen - aber es ist nicht klar, wie lange sich dies aufrechterhalten lässt." Die Waffenlieferungen an Hisbollah erfolgten seit Jahren mit syrischer Zustimmung. Mit den Luftangriffen seit Jänner habe Israel jedoch de facto eine "effektive Blockade" gegen Hisbollah verhängt.

Doch es bleibt ein gefährliches Vabanquespiel. "Israel vollzieht einen Drahtseilakt", schrieb ein Kommentator der Zeitung "Haaretz" am Sonntag. "Es versucht, seine roten Linien durchzusetzen, ohne den internen syrischen Krieg in einen bewaffneten Konflikt zwischen sich und dem Assad-Regime zu verwandeln." Israel müsse sich davor hüten, "sich in das syrische Durcheinander hineinziehen zu lassen".