Die Kriegsdrohungen Nordkoreas haben eine neue Eskalationsstufe erreicht. Das Regime in Pjöngjang erklärte am Samstag, das Land sei im Verhältnis zu Südkorea in den "Kriegszustand" eingetreten. Jede Angelegenheit zwischen beiden Staaten werde ab sofort "nach den Vorschriften für Kriegszeiten" behandelt, hieß es in der von den Staatsmedien verbreiteten Erklärung. Atomwaffentest, Erstschlagdrohung und die Raketen in ständiger Bereitschaft - beinahe wöchentlich sorgt Nordkoreas Machthaber Kim Jung-un mit seinen Eskapaden weltweit für Unruhe. Niemand weiß, ob das mit Sanktionen unter Druck gesetzte Regime nur blufft. Vor allem in Südkorea wächst die Sorge, dass sich der unberechenbare Bruder im Norden zu einer militärischen Provokation hinreißen lässt und der Konflikt damit eskaliert.

Die übliche Kriegsrethorik

Täglich macht die weithin isolierte Führung in Pjöngjang deutlich, dass ihr Drohpotenzial noch immer nicht ausgeschöpft ist. Die Raketen, die auf Ziele der USA und Südkorea gerichtet seien, habe Machthaber Kim Jong-un per Befehl in ständige Bereitschaft versetzt, hieß es in den Staatsmedien. Kriegerische Signale als Mittel sind für das auf ausländische Wirtschaftshilfe angewiesene Nordkorea üblich, um seine Ziele zu erreichen. Südkorea und die USA nehmen die Drohungen dennoch ernst. "Es gibt hier eine Reihe von Unwägbarkeiten", räumte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel ein. "Aber wir müssen provokative Worte und Aktionen ernst nehmen, die bisher von diesem neuen, jungen Führer gekommen sind, seit er an der Macht ist."

Experten glauben weiterhin nicht, dass es Nordkorea auf einen Krieg mit der Supermacht USA ankommen lassen will. Ein zweiter Korea-Krieg, ausgelöst etwas durch einen Raketenangriff auf Südkorea oder US-Militärstützpunkte würde angesichts der militärischen Übermacht der Amerikaner den Untergang des Regimes in Pjöngjang bedeuten. Entsprechend beschwichtigend treten Nordkoreas Nachbarn China und Russland auf.

Nordkorea habe nicht die Kapazität, seine jüngsten Drohungen mit einem Angriff auf US-Territorium umzusetzen, schätzt der Asien-Pazifik-Redakteur James Hardy von dem Fachmagazin "IHS Jane's Defence Weekly". Nordkorea habe Kurz- und Mittelstreckenraketen, die die Lage auf der koreanischen Halbinsel und allenfalls in Japan kompliziert machen könnten. "Aber wir sehen keine Beweise, dass es über Langstreckenraketen verfügt, die das US-Festland, Guam oder Hawaii treffen könnten." Genau das hatte Kim Jong-un angedroht.

Gefährliches Ping-Pong-Spiel

Mit der Erhöhung seines Einsatzes versucht Nordkorea deutlich zu machen, dass es sich dem Druck im Konflikt um sein Atomwaffenprogramm nicht beugen will. Kim Jong-un müsse dabei nach innen beweisen, dass er der Militärstratege ist, als den ihn die Propaganda des Landes immer hinstellt, und seine Stellung festigen, glauben Beobachter. Auf der anderen Seite wolle Pjöngjang die USA zu Gesprächen zwingen. "Nordkorea will als wahre Atomstreitmacht anerkannt werden", sagt ein Beobachter. Seit einem umstrittenen Raketenstart in Nordkorea im Dezember war der Konflikt stufenweise eskaliert. Auf die Verschärfung von UN-Sanktionen reagierte Pjöngjang im Februar mit seinem dritten Atomtest. Im Gegenzug wurde das Vorgehen Nordkoreas vom Weltsicherheitsrat mit der Ausweitung der Sanktionen bestraft.

Ermutigt durch den erfolgreichen Raketenstart und den Atomtest, erhöhte Pjöngjang die Schlagzahl seiner Drohungen. Das Regime kündigte unter anderem den Waffenstillstandsvertrag von 1953 und einen Nichtangriffspakt mit Südkorea auf und verkündete am Samstag sogar den "Kriegszustand" mit Südkorea. Angesichts der Drohungen warnte die Konfliktforschungsorganisation International Crisis Group zuletzt: "Nordkorea hat zuletzt eine Reihe von Schritten unternommen, die das Risiko von Fehleinschätzungen, unbeabsichtigter Eskalation und eines tödlichen Konflikts erhöhen."