Kommt jetzt der Frieden zwischen Kurden und Türken? Die während des kurdischen Frühlingsfestes Newroz in Diyarbakir verlesene Erklärung des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan ist zweifellos eine Zäsur im bislang 30-jährigen Krieg im kurdischen Teil der Türkei. Anders als bei vorangegangenen Waffenstillständen spricht Öcalan vom Ende des bewaffneten Kampfes. Geradezu emphatisch ließ er den "Beginn einer neuen Zeit" verkünden. Ab jetzt soll der Kampf für mehr Rechte der Kurden mit politischen Mitteln geführt werden. PKK-Kämpfer sollen nicht nur die Waffen schweigen lassen, sondern die Türkei verlassen - gemeint ist ein Rückzug in den Nordirak.

Das hat es zwar schon einmal gegeben, ein Jahr nachdem Öcalan 1999 verhaftet worden war. Als Öcalan jedoch damals seine Kämpfer zum Rückzug aufgefordert hatte, setzte die Armee nach und tötete fast 500 PKK-Militante. Premier Recep Tayyip Erdogan hat im Unterschied dazu der PKK jetzt die Garantie gegeben, dass die Armee die Kämpfer friedlich ziehen lassen wird.

Beginnt der Rückzug, ist Erdogan am Zug. In den Gesprächen mit Öcalan war den Kurden signalisiert worden, dass durch eine Änderung der Anti-Terror-Gesetze ein Großteil der inhaftierten Aktivisten freigelassen wird.

Vor allem aber muss Erdogan die Bevölkerung davon überzeugen, dass es trotz aller Opfer im Kampf gegen den "Terrorismus" jetzt richtig ist, mit den "Terroristen" von gestern politisch zu verhandeln. Das ist mit der schwierigste Teil des Prozesses, denn 30 Jahre lang hat man den Leuten eingehämmert, dass die PKK nur militärisch zu besiegen sei.

Einmünden soll der Friedensprozess in eine neue Verfassung, die einen Staatsbürgerschaftsbegriff beinhaltet, der die ethnischen Minderheiten einschließt und andere Sprachen als Türkisch in Schule und Verwaltung zulässt. Einer der Gründe, warum Erdogan eine neue Verfassung vorantreibt, ist sein Wunsch, die Türkei stärker in Richtung Präsidialsystem zu verschieben. 2014 wird in der Türkei ein neuer Präsident gewählt, und nach drei Legislaturperioden strebt der Premier dieses Amt an. Dafür will er es mit umfassenden Vollmachten ausstatten, was die anderen Parteien bislang ablehnen. Der Deal könnte nun sein, dass Erdogan die Anerkennung der Kurden in der Verfassung durchsetzt und ihm die im Parlament vertretene kurdische BDP im Gegenzug zur nötigen Mehrheit verhilft.

Bleibt die Frage, was mit den Kämpfern der PKK passiert. Für den größeren Teil wird es wohl eine Amnestie geben. Die Führer der Guerilla sollen dagegen Asyl im Ausland erhalten. Am einfachsten für sie wäre es aber, im Nordirak zu bleiben und sich dort politisch zu engagieren.

Schließlich setzen Öcalan und viele Kurden darauf, dass mit der De-facto-Unabhängigkeit der Kurden im Irak und der sich abzeichnenden Autonomie in Syrien ein Gebilde entsteht, das an die Zeit des Osmanischen Reiches erinnert, "bevor die Nationalstaaten die Völker aufeinanderhetzten", wie Öcalan sagte.