Der lange vorbereitete Machtwechsel in China ist vollzogen. Die 3000 Delegierten des Volkskongresses kürten den 59-Jährigen Xi Jingping zum Staatschef. Die neue Führung erbt die Herrschaft über ein Land, das zur Weltmacht aufgestiegen ist, diesen Status aber schnell wieder verlieren könnte, wenn sie für gewaltige Herausforderungen nicht schnell Lösungen findet. Mit der Problemanalyse muss sie sich nicht lange aufhalten. Dass die sozialen Spannungen steigen, die Korruption grassiert und die Umwelt zerstört wird, beklagten schon die Vorgänger. Chinas Boom erlaubte der Führung, sich zehn Jahre um Reformen zu drücken. Doch nun geht die Ära des Wachstums zu Ende und ein neues, nachhaltigeres Entwicklungsmodell ist nötig: An drei Kursentscheidungen wird sich beurteilen lassen, ob China auf dem richtigen Weg ist.

Erstens muss die Partei den Glauben an die Reformfähigkeit wiederherstellen. Den letzten Erneuerungsschub erlebte das Land Mitte der 1990er, als die Partei die Privatisierung Tausender Staatsbetriebe beschloss. Seitdem ist in China ein mächtiger Geldadel entstanden, der mit der Partei aufs Engste verflochten ist. Die Interessen der neuen Eliten haben den Erneuerungsprozess ins Stocken gebracht und umstrittene Monopolunternehmen entstehen lassen, die sich gegen private oder ausländische Konkurrenz abschotten. Auch viel diskutierte Sozialreformen scheiterten an der Angst vor unkalkulierbaren Konsequenzen, etwa die Abschaffung des sozialistischen Melderechts, das für die Landbewohner eine Diskriminierung darstellt. Würde die Führung den Mut aufbringen, prominente Projekte anzugehen, könnte dies zum Katalysator für eine Reformphase werden.

Zweitens muss die Führung aufhören, ihr Volk als Gegner zu betrachten, den sie mit Zuckerbrot und Peitsche unter Kontrolle halten muss. In China ist längst eine kritische Öffentlichkeit entstanden, die ein wachsendes und berechtigtes Interesse hat, über ihr Land zu diskutieren. Für die Reformkräfte ist das eine Chance: Korrupte Kader oder umweltschädliche Fabriken müssen schon heute Angst haben, dass ihre Verbrechen publikgemacht werden. Eine Lockerung der Zensur wäre ein Signal, dass die Führung Kriminalität in den eigenen Reihen nicht länger duldet.

Drittens muss die Volksrepublik ihre internationale Rolle neu definieren. China ist eine einsame Weltmacht, die nur wenige Verbündete und keine Freunde hat. Das ist nicht nur Chinas Schuld. Manche Ängste, die Chinesen im Ausland entgegenschlagen, sind ungerecht. Viele Vorbehalte sind aber begründet: Die Nachbarn sorgen sich über nationalistische Töne und militärische Drohgebärden. Der Westen klagt über staatlich geduldeten Technologieklau und Rückendeckung für die aggressiven Regimes im Iran und Nordkorea. Peking hat es in der Hand, der Welt ein positives Chinabild zu zeigen, mit Taten, nicht mit Worten.