Wahlen in Zypern - davon nahm man im Ausland früher kaum Notiz. Die Inselrepublik im östlichen Mittelmeer hat nicht einmal halb so viele Einwohner wie Wien und steuert gerade 0,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Euro-Zone bei. Aber wenn am Sonntag rund 550.000 wahlberechtigte griechische Zyprioten einen neuen Präsidenten wählen, blickt ganz Europa auf die kleine Insel. Die Wahl gilt als Weichenstellung. Zypern steckt in einer existenzbedrohenden Finanzkrise. Stürzt die Insel in die Insolvenz, könnte das schwere Schockwellen in der Euro-Zone auslösen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält das Land auf jeden Fall für systemrelevant.

In früheren Wahlkämpfen waren die Inselteilung und die erhoffte Wiedervereinigung das dominierende Thema. Diese Frage ist jetzt in den Hintergrund getreten. Zyperns Banken haben in Griechenland Milliarden verloren und drohen die gesamte Volkswirtschaft mit in den Abgrund zu reißen. Die Insel braucht dringend Hilfskredite. Aber die EU zögert. Vor allem Deutschland fordert mehr Transparenz im Bankensektor, der russischen Oligarchen als Schwarzgeldwaschanlage dienen soll.

Elf Kandidaten

Man könnte meinen, dass unter diesen widrigen Vorzeichen der Präsidentenjob nicht sehr begehrt ist. Dennoch bewerben sich elf Kandidaten um das Amt, das seinem Inhaber eine beträchtliche Machtfülle gibt. Er ist Staatsoberhaupt und Regierungschef, kann weitgehend unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen im kleinen Inselparlament regieren. Als großer Favorit gilt der Konservative Nikos Anastasiadis. Der 66-jährige Anwalt ist ein politisches Urgestein und führt seit 1997 die pro-europäische Demokratische Sammlungsbewegung (Disy). In den Umfragen liegt Anastasiadis bei über 40 Prozent. Beobachter schließen nicht aus, dass er bereits im ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen bekommt. Verfehlt er die absolute Mehrheit, kommt es am 24. Februar zur Stichwahl. Dann müsste sich Anastasiadis gegen den Kommunisten Stavros Malas oder den Vertreter des Zentrums Giorgos Lillikas behaupten. Die anderen acht Kandidaten gelten als aussichtslos.

Der künftige Präsident steht unter Druck. Dem Staat geht das Geld aus. Im Juni werden Schuldpapiere von 1,4 Milliarden Euro fällig. Wenn bis dahin keine Hilfskredite fließen, stürzt Zypern in die Zahlungsunfähigkeit.

Unterdessen beklagt der scheidende Präsident Dimitris Christofias, dass sein Land von der EU "verfolgt" werde. Mitschuld an der Krise weist der zu Sowjetzeiten in Moskau geschulte Kommunist, der sich gern als "rotes Schaf Europas" brüstet, weit von sich. Dass er Schulden fast verdoppelte, daran lässt sich der scheidende Präsident nicht gern erinnern.