Der Kampf um die nächste EU-Finanzperiode geht weiter. Es gibt Befürchtungen, Österreich muss bei der Verteilung der Regional- und Strukturmittel aus Ihrem Ressort große Einbußen hinnehmen. Werden wir viel verlieren?

JOHANNES HAHN: Österreich gehört zu den reichsten Ländern Europas und ist bei den Beiträgen an zehnter Stelle. Es liegt nahe, dass es hier Anpassungen gibt. Aber es ist richtig, dass man sich bemüht, das in einer gewissen Balance zu halten. Ich kann nicht sagen, was am Ende herauskommt, aber ich glaube, es schaut nicht schlecht für Österreich aus.

Es gibt Schätzungen, dass Österreich die Hälfte seiner Regionalmittel verlieren könnte. Stimmt das?

HAHN: Nein, aber natürlich ist die Regionalförderung nicht ein Bereich, den die österreichische Regierung mit Zähnen und Klauen verteidigt. Jede Regierung muss ihre Prioritäten setzen und wir in der Kommission kennen diese Befindlichkeiten. Österreich hat die Förderung des ländlichen Raumes und bis zu einem gewissen Grad den Rabatt zu ihrem Thema gemacht.

Unser EU-Beitrag wurde durch diesen Rabatt zuletzt verringert und es gab Anzeichen, dass wir hier auch Federn lassen müssen. Hat Österreich denn eine Chance, wenigstens einen Teil seines Rabattes zu behalten?

HAHN: Gemessen am Stand der Verhandlungen halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass für Österreich ein gewisser Teil des Rabatts möglich sein wird.

Ist die Kommission eigentlich wegen der Haltung David Camerons alarmiert?

HAHN: Großbritannien ist ein großes Land in der EU, daher werden Aussagen natürlich mit besonderer Aufmerksamkeit quittiert. Aber im Prinzip ist das eine innerbritische Angelegenheit. Es sickert ja langsam auch in Großbritannien durch, dass es für das Land große Nachteile hätte, nicht Mitglied der EU zu sein.

Premierminister Cameron hat schon beim EU-Gipfel im November 2012 eine Budgeteinigung verhindert. Wie stehen jetzt, drei Monate später, die Chancen?

HAHN: Man soll nicht alles Großbritannien umhängen. Auch ein paar andere Mitgliedstaaten haben im November gesagt, sie brauchen eine zweite Runde. Und das war auch einkalkuliert. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt zu einem Ergebnis kommen werden. Sonst wäre das auch nicht Thema des Europäischen Rates geworden.

Wird es ein neues Papier der Kommission oder von Ratspräsident Herman Van Rompuy geben?

HAHN: Das Gesetz des Handelns ist bei ihm und die Kommission gibt ihre Meinung dazu ab. Jetzt ist die Zeit der Individualvereinbarungen. Vielleicht gibt es noch die eine oder andere Reduzierung, was ich hoffe. Denn letztlich ist das EU-Budget das Herzstück der Investitionen der nächsten Jahre. 94 Prozent des Budgets gehen wieder an die Mitgliedsstaaten zurück und das löst Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze aus.

Noch einmal: Erwarten Sie ein Signal Herman Van Rompuys?

HAHN: Ich gehe davon aus, dass zurzeit nicht mehr auf Basis des Papiers vom November diskutiert wird.

Österreich liegt an der Schnittstelle zu den Ländern in Ost- und Südosteuropa, die besonders stark von den Mitteln aus den Fonds gefördert werden, die Sie verwalten. Können wir davon profitieren?

HAHN: Länder wie Österreich profitieren sogar überproportional von Struktrurfondsgeldern, die an andere Staaten gelangen, und zwar in Form von Aufträgen an die Wirtschaft. Eine Studie belegt, dass von jedem Euro, den Österreich anteilsmäßig an Strukturfondsmitteln nach Polen zahlt, 69 Cent in Form von direkten Aufträgen an die Wirtschaft zurückkommen. Osteuropa ist der Wachstumsmarkt in der EU schlechthin.

Aber die Krise der letzten Jahre hat gerade diesen Teil Europas besonders schwer getroffen.

HAHN: Ich bin überzeugt, dass die osteuropäischen Länder zu alter Stärke zurückkehren und davon werden österreichische Firmen besonders profitieren.