Das strenge Urteil gegen Ex-Innenminister Ernst Strasser ist nach Ansicht des ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten und Korruptionsbekämpfers Franz Fiedler ein Signal der Justiz und eine Richtschnur für noch folgende Korruptionsprozesse. Der Richter habe für die hohe Strafe eine "sehr plausible Begründung" gegeben, so Fiedler im Ö1-Morgenjournal. Er hofft, dass damit mögliche Täter abgeschreckt werden.

Signal: Justiz kennt keine Gnade

Nach Ansicht Fiedlers ist das Urteil ein Signal dafür, dass die Justiz in derartigen Fällen keine Gnade mehr kennt und ohne Ansehen der Person vorgeht. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft habe sich im konkreten Fall sehr bewährt, lobt Fiedler die neue Behörde. Er fordert, dass man die Korruptionsstaatsanwaltschaft aus der Weisungshierarchie des Justizministeriums entlässt und sie weisungsfrei stellt. Als "schweren Fehler" bezeichnet es Fiedler, dass bis vor kurzen österreichische Abgeordnete im Gegensatz zu ausländischen oder EU-Abgeordneten von der gerichtlichen Verfolgung ausgenommen waren. Das hätte schon viel früher korrigiert werden müssen, so Fiedler.

Kralik hofft auf deutlich geringeres Strafmaß

Strassers Verteidiger Thomas Kralik bezeichnete die Strafe unterdessen als überzogen. Im Interview mit der APA gab er sich zuversichtlich, dass das Strafausmaß in zweiter Instanz deutlich reduziert werde. "Die Strafhöhe ist maßlos überzogen. Das steht in überhaupt keiner Relation. Wenn einer ein 15-jähriges Mädchen vergewaltigt, kriegt er beim ersten Mal weniger", sagte Strassers Verteidiger.

Urteil "eindeutig zu hart"

Der Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Uni Innsbruck, Klaus Schwaighofer, befand das Urteil indes für "eindeutig zu hart". Wie auch sein Wiener Kollege Helmut Fuchs sieht Schwaighofer die Gefahr eines "Prominenten-Malus" vor Gericht.

Schwaighofer könnte sich vorstellen, dass Strasser in der Berufung mit einer etwas reduzierten, möglicherweise sogar mit einer teilbedingten Haftstrafe davonkommt. "In Innsbruck hätte er eine recht gute Chancen auf eine teilbedingte Freiheitsstrafe", sagt Schwaighofer. Die Strafjustiz in Ostösterreich sei allerdings traditionell weniger milde.

Aus Sicht des Juristen müsste sowohl Strassers bisherige Unbescholtenheit strafmildernd wirken als auch die Tatsache, dass kein Geld geflossen ist. Außerdem sei für die Strafbemessung die individuelle Schuld entscheidend, nicht die vom Richter besonders betonte abschreckende Wirkung der Strafe auf mögliche andere Täter: "Die Generalprävention so besonders hervorzustreichen, halte ich nicht für richtig." Zudem verweist Schwaighofer darauf, dass das Strasser von den vorgeblichen Lobbyisten in Aussicht gestellte Honorar von 100.000 Euro nur knapp über der Wertgrenze von 50.000 Euro liegt, ab der bestechlichen Amtsträgern bis zu zehn Jahre Haft drohen. Darunter beträgt die Strafdrohung nur fünf Jahre.

Eher unwahrscheinlich ist aus Schwaighofers Sicht aber, dass das Urteil komplett aufgehoben wird. Die Beweiswürdigung des Gerichts sei wegen der Videoaufzeichnungen "fast unanfechtbar". Und auch dass das Gericht Strassers Geheimdienst-Geschichte verworfen habe, sei nachvollziehbar. "Damit wird er niemals durchkommen", teilt Schwaighofer die Ansicht von Richter Georg Olschak, der gemeint hatte, dieser Geschichte werde kein österreichisches Gericht Glauben schenken.

Die Chancen der von Strassers Anwalt Thomas Kralik angekündigten Nichtigkeitsbeschwerde hängen letztlich davon ab, ob sich im schriftlichen Urteil Formalfehler finden. Aber, so Schwaighofer: "Das glaube ich eher nicht. Der Herr Olschak dürfte ein Profi sein und bei solchen Dingen lässt man noch zwei andere draufschauen, ob man nichts vergessen hat."

Auch der Wiener Strafrechtsvorstand Helmut Fuchs hatte am Montagabend in der "ZiB2" von einem sehr strengen Urteil gesprochen. "Man muss wahrscheinlich auch etwas darauf achten, dass nicht aus einem früheren Prominenten-Bonus ein Prominenten-Malus wird", sagte Fuchs.

ÖVP kommentiert Urteil nicht

Die Regierungsmitglieder der ÖVP haben sich am Dienstag vor dem Ministerrat geschlossen einer Beurteilung des - nicht rechtskräftigen - Urteils gegen ihren ehemaligen EU-Mandatar und Innenminister Ernst Strasser verweigert. ÖVP-Chef Vizekanzler Spindelegger machte klar, dass die ÖVP mit Strasser nichts mehr zu tun haben wolle.

"Wir haben mit Strasser vor zwei Jahren gebrochen", betonte er. "Er ist nicht mehr Teil unserer Gesinnungsgemeinschaft." Auf die Nachfrage, ob der Ex-Innenminister nicht doch noch Mitglied im ÖAAB sei, erklärte Spindelegger, dass es jedenfalls keine Mitgliedschaft Strassers in der Bundespartei gebe. "Alles andere ist eine Frage der Statuten."

Justizministerin Karl wollte das Urteil ebenfalls nicht inhaltlich kommentieren. Der Rechtsspruch belege aber, dass die Justiz "ohne Ansehen der Personen" entscheide, betonte sie. Die ÖVP habe schon längst die Konsequenzen gezogen, Strasser sein kein Parteinmitglied mehr, hielt sie fest.

Angesprochen auf die grundsätzliche Verhältnismäßigkeit der Strafhöhen für Delikte verwies sie auf ihre Pläne zur Überarbeitung des Strafgesetzbuches (StGB). Noch im Jänner soll eine Expertengruppe eingesetzt werden, deren Vorschläge im Jänner 2014 vorliegen sollen. Karl wünscht sich eine Novellierung des StGB im Jahr 2015.

Karas will Einspruch abwarten

Der Delegationsleiter der ÖVP und Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, verwies darauf, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Außerdem habe er noch nicht die Möglichkeit gehabt, im Detail das Urteil zu lesen. Jedenfalls seien nach dem Vorfall mit Strasser im EU-Parlament die entsprechenden Konsequenzen und Rückschlüsse gezogen worden.