PEKING. Für Herrn Meng ist Gott allmächtig. "Früher habe ich gestottert und brachte keinen geraden Satz heraus", erzählt der Mittvierziger. "Dann bin ich Christ geworden - und Sie hören ja, wie ich jetzt sprechen kann!" Allerdings. Herr Meng redet wie ein Wasserfall von Gottes Wundern, der Bibel und dem Weihnachtsfest. Seine rund 60 Zuhörer sitzen eng gedrängt auf schmalen Bänken und kleinen Hockern. Sie alle sind an diesem vierten Adventssonntag zum ersten Mal zu einem Gottesdienst in die Pekinger Chongwenmen-Kirche gekommen und im Anschluss zu einer Einführung in den christlichen Glauben eingeladen worden. "Im Alltag erleben wir alle, wie eigennützig und boshaft Menschen sein können", erklärt Herr Meng, einer der Gemeindeälteren. "Aber Gott ist gerecht, ihm können wir vertrauen."

Der große Andrang hat nur wenig mit der Weihnachtszeit zu tun. Die protestantische Chongwenmen-Kirche mit ihren rund 800 Plätzen ist auch an anderen Sonntagen so gut besucht, dass ihre Gottesdienste per Video in die Nebenräume übertragen werden müssen, und das viermal am Tag. Die meisten Besucher sind erst seit wenigen Jahren Christen. Denn Chinas Kirchengemeinden wachsen schnell, ein Trend, den Chinas Kommunistische Partei mit Sorge beobachtet. In ihrem atheistischen System ist Religion zwar erlaubt, aber nur, wenn sie sich der staatlichen Glaubensaufsicht unterstellt. Doch gerade dazu sind viele chinesische Christen nicht bereit.

Zwischen 60 bis 90 Millionen Chinesen bekennen sich zum Christentum. Die Mehrheit trifft sich in informellen Zirkeln und nimmt dafür das Risiko staatlicher Repressionen in Kauf. Besonders Katholiken stehen unter Druck: Peking verlangt von ihnen die Zugehörigkeit zur "Patriotischen Vereinigung", die statt des Papstes die Partei als höchste Instanz anerkennt. Als im Sommer der Shanghaier Bischof Thaddeus Ma Daqin seinen Austritt aus der Staatskirche erklärte, verschwand er rasch aus der Öffentlichkeit.