Wie groß ist Ihre Erschütterung darüber, dass in einem sozialdemokratisch regierten Land auf Teufel komm raus gezockt wurde?

WERNER FAYMANN: Groß deshalb, weil ich gehofft hätte, dass nach der Finanzmarktkrise alle verstanden haben, dass man sich als öffentliche Hand aus diesen Hochrisikogeschäften völlig zurückziehen muss.

Wie verhindern Sie, dass es so weitergeht?

FAYMANN: Da gibt's nur eine einzige Möglichkeit: Man muss hinschauen. Die Forderung nach gläsernen Kassen der Bundesländer ist ein Gebot der Stunde. Und die Länder sollen sich bei der Veranlagung künftig an den Richtlinien der Bundesfinanzierungsagentur orientieren müssen.

Die Landeshauptleute unter Führung von Tirols Günther Platter wollen sich vom Bund nicht unter Kuratel stellen lassen.

FAYMANN: Die Länder können weiter ihre Finanzgebarung autonom machen, aber herzeigen sollen sie es. Das ist auch im Interesse der Länder, denn der Fall Kärnten, wo das Land 20 Milliarden Euro Haftungen übernommen hat, hat ja gezeigt, dass alle mitzahlen, wenn etwas schiefgeht. Es ist ja völlig kleinkariert, zu sagen, in meine Kassa braucht keiner schauen, weil ich habe nichts angestellt. Was in Salzburg passiert ist, ist schlimm genug. Aber dann keine Konsequenzen zu ziehen, wäre für ganz Österreich ein Fehler. Bei diesen Risikogeschäften und Haftungen geht es um erhebliche Beträge. Daher hoffe ich, dass wir uns durchsetzen. Aber ich kann jetzt schon sagen, das wird eine harte Diskussion.

Muss es im Salzburger Fall nicht auf jeden Fall zum Rücktritt der Verantwortlichen kommen?

FAYMANN: Zuerst sollte man einmal wissen, was los war. Dann muss man natürlich schauen, wer da eine politische Verantwortung hätte wahrnehmen müssen. Ich kann ja nicht als Kanzler nach Salzburg fahren und erheben, ob da Unterschriften gefälscht wurden. Das muss die Staatsanwaltschaft machen. Und man wird es politisch beurteilen.

Genießt Landeshauptfrau Gabi Burgstaller Ihr volles Vertrauen?

FAYMANN: Wir haben über verschiedene Themen verschiedene Meinungen, das ist ja nicht schlecht in einer Demokratie. Aber ich habe zu ihr persönlich ein gutes Verhältnis und vertraue ihr sehr, weil ich sie doch lange kenne. Sie hat ein Recht, jetzt aufzuklären und aufzuräumen, damit man einmal weiß, was war. Ich verurteile es eher, dass ihr Regierungspartner ÖVP glaubt, er kann bei der Gelegenheit Kleingeld wechseln und Neuwahlen herbeiführen.

Kleingeld wechseln ist vielleicht ein unglücklicher Begriff in diesem Zusammenhang . . .

FAYMANN: Also gut - sagen wir: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.

Sie machen sich also keine Sorgen um die Salzburger SPÖ?

FAYMANN: Ich mache mir große Sorgen, dass Gabi Burgstaller die nötige Kraft hat - und das wünsche ich ihr mit aller Unterstützung -, rasch aufzuräumen und die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Aber wenn sie das richtig und ehrlich macht, kann die Krise auch eine Stärkung sein.

Müsste nicht der zuständige Landesrat Brenner bis zur Klärung der Vorwürfe sein Amt ruhend stellen?

FAYMANN: Ich stehe so hinter der Frau Landeshauptfrau, dass nur sie selbst diese Entscheidungen für ihr Team trifft. Ich will ihr da wirklich keine Ratschläge geben.

Je länger die Sache offen ist, desto mehr besteht doch die Gefahr, dass das irgendwann auch Ihnen und der Bundesregierung politisch auf den Kopf fällt.

FAYMANN: Richtig. Im Interesse der Gesamtsituation Österreichs muss auch ich daran interessiert sein, dass die Aufklärung rasch passiert. Und dass Konsequenzen dort gezogen werden, wo sie zu ziehen sind. Wenn ein Banküberfall passiert, dann muss der Bankräuber verantwortlich gemacht werden. Aber man muss die richtigen Konsequenzen ziehen, und dafür braucht man ein Mindestmaß an Information. Daran müsste doch der Regierungspartner genauso ein Interesse haben, und nicht nur glauben, man kann bei der Gelegenheit schnell Landeshauptmann werden. Sie können mich da beim Wort nehmen: Wenn mein Regierungspartner ein Problem hat - und beim Regieren gibt es nun einmal auch Fehler und Probleme -, dann werde ich sicher nicht sagen, deshalb gehen wir schnell wählen. Das ist ja keine Art.

Hat nicht die SPÖ in Kärnten genau das getan?

FAYMANN: Dort haben wir zuerst jahrelang aufgeklärt, und dann, nach jahrelanger Diskussion, einen Wahltermin gefunden.

Die Staatsbürger müssen sich also darauf einstellen, dass es in diesem Land die klassische politische Verantwortung - im Sinne einer reinen Erfolgshaftung, ohne dass man im Detail weiß, wer wann was gewusst hat - künftig nicht mehr gibt.

FAYMANN: Wenn der Richtige zurücktritt, dann schon. Aber bei der Kleinen Zeitung muss auch nicht für alles der Geschäftsführer zurücktreten.

Wir haben auch kein politisches Mandat inne.

FAYMANN: Nein, aber da geht es um Verantwortung. Sonst müsste ja dauernd jeder überall zurücktreten.

Haben Sie angesichts der Kette an Skandalen Verständnis für das Grundgefühl der Leute, dass dieses Land aus den Fugen geraten ist?

FAYMANN: Wenn etwas ermittelt oder kontrolliert oder aufgezeigt wird, dann ist ja das noch kein Beweis dafür, dass alles schlecht ist. Menschliche Fehlleistungen werde ich auch mit den besten Gesetzen nicht verhindern. Ich wünsche mir nur, dass alles rascher aufgearbeitet und behoben wird. Die Justiz braucht mehr Kapazität, mehr Leute, da arbeiten wir sehr intensiv daran.

Vor drei Jahren hat es geheißen, jetzt kommen einige wahlfreie Jahre, da wird es große Reformen geben. Sind Sie zufrieden mit dem Wenigen, das erledigt wurde?

FAYMANN: Wenn ich heute meine 26 Kollegen aus der EU treffe, dann kommt der Großteil zu mir und sagt, Österreich ist ein Vorbild. Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit, also irgendetwas müssen wir ja richtig gemacht haben.

Zu sagen, den anderen geht es noch schlechter, ist eine sehr bescheidene Bilanz.

FAYMANN: Es ist auch im Sport und in der Wissenschaft üblich, dass man sich vergleicht. Aber es gibt auch Felder, wo wir Handlungsbedarf haben - etwa beim Lehrerdienstrecht. Das ist absurd, dass das so lange dauert. Ich hoffe, dass wir das in dieser Legislaturperiode noch zustande bringen. Ich werde es versuchen, kann es aber nicht versprechen. Denn ich bin zwar Regierungschef, aber nicht allmächtig.