Sie waren vor mehr als 25 Jahren Verteidigungsminister. Sind Sie beim Thema Bundesheer noch auf der Höhe der Zeit?

FRIEDHELM FRISCHENSCHLAGER: Ja, sicher. Ich war ja nach meiner Ministerschaft noch bis 1990 Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses. Das Thema hatte mich vorher interessiert und nachher nie mehr losgelassen.

Warum sind Sie denn so absolut gegen die Wehrpflicht?

FRISCHENSCHLAGER: Ich bin dagegen, weil sie wie unser Heer aus sicherheitspolitischer Sicht absolut sinnlos geworden ist.

Sinnlos, nur weil die militärische Bedrohung Österreichs aktuell völlig verschwunden ist?

FRISCHENSCHLAGER: Ja, unter anderem, aber noch viel mehr, weil das frühere Konzept mit seinen Bestandteilen Neutralität, Raumverteidigung mit einem entsprechend großen Heer und deshalb Miliz und Wehrpflicht ganz und gar nicht mehr zeitgemäß ist.

Brauchen wir überhaupt noch ein Bundesheer?

FRISCHENSCHLAGER: Wir brauchen unbedingt ein Heer. Aber nicht zur Landesverteidigung, sondern als Beitragsleistung zu einer europäischen Sicherheitsstruktur.

Diese Sicherheitsstruktur gibt es aber noch gar nicht, oder?

FRISCHENSCHLAGER: Das stimmt so nicht, wie vieles in der europäischen Politik ist sie programmatisch in den Verträgen festgelegt. Das sogenannte "Pooling" und "Sharing", wie das im Militärjargon heißt, ist auf dem Weg.

Welche Rolle kann das kleine Österreich dabei übernehmen?

FRISCHENSCHLAGER: Unser Land muss einen Beitrag leisten. Welchen genau, gilt es noch festzulegen. Es gibt keine Bedrohung Österreichs mehr, ohne dass vorher die EU und die Nato betroffen wären. Unsere Sicherheit hängt inzwischen von der Sicherheit Europas ab. Unser Bundesheer der Zukunft wird drei Aufgaben haben: Internationale Einsätze, Teil eines europäischen Heeres und für die höchst unwahrscheinliche Außenverteidigung Europas gerüstet zu sein. Dazu braucht man einen exquisiten, professionellen Kern von Berufssoldaten. Das Darabos-Modell passt im Großen und Ganzen.

Am 20. Jänner soll das Volk entscheiden, ob die Wehrpflicht bleibt oder nicht. Glauben Sie, dass es für eine sachliche Entscheidung ausreichend Informationen hat?

FRISCHENSCHLAGER: Nein und noch einmal Nein. Dreimal Nein. Die politischen Verantwortlichen haben seit 1989 zu wenig informiert. Es kommt in der Politik vor, dass Positionen geändert werden. Das werfe ich auch niemandem vor. Aber der entscheidende Fehler war, dass seit 1989 nie eine intensive, vernünftige Debatte über die sicherheitspolitischen Ziele der Republik geführt worden ist.

Sie glauben, die Bürger werden im Jänner nach ihrem Bauchgefühl entscheiden müssen?

FRISCHENSCHLAGER: Ja bestenfalls. Schlimmstenfalls verweigern die Leute und nehmen an der Volksbefragung gar nicht teil, weil sie sich entweder überfordert oder gar gefrotzelt fühlen. Ich halte diese Volksbefragung für eine höchst gefährliche Geschichte.

Warum denn das?

FRISCHENSCHLAGER: Weil in der aktuellen Debatte alles durcheinandergebracht wird. Wir reden vom Zivildienst, vom Katastrophenschutz und vom Bundesheer. Das müsste einzeln, losgelöst voneinander, diskutiert werden. Es ist ja völlig absurd: Ich kann doch nicht, wenn die Wehrpflicht bleiben sollte, 25.000 Leute auch in den Folgejahren einziehen, einzig für den Nebeneffekt, dass 9.500 Zivildiener da sind. Außerdem sehe ich ein Grundrechtsproblem. Das geht bisher völlig unter: Wir ziehen Zigtausend Leute ein. Das ist ein Grundrechtseingriff, der nur gerechtfertigt ist, solange er sinnvoll ist. Der Sinn fehlt seit den Neunziger Jahren, seit dem EU-Beitritt und Wegfall des Ost-West-Konflikts.

Aber in der Demokratie entscheiden eben Mehrheiten...

FRISCHENSCHLAGER: Ich rege mich über die geplante Volksbefragung auch deshalb so auf, weil die Regierung eine Befragung durchführen will, ohne vorher eine seriöse Grundsatzdebatte zu führen und das eigentliche Thema Bundesheer anzusprechen. Das ist aus meiner Sicht ein Missbrauch der direkten Demokratie.

Sie waren 1962 beim Bundesheer. Haben Sie davon profitiert?

FRISCHENSCHLAGER: Ja. Ich bekam eine gewisse militärische Ausbildung, wollte damals in die Nähe von Wien und mein Interesse an der Sicherheitspolitik wurde befriedigt. Ich hab's auch ganz gern gemacht, damals war es sinnvoll.