Die Situation an der türkisch-syrischen Grenze hat sich dramatisch verschärft. Erstmals seit Beginn des Bürgerkrieges hat die türkische Armee aktiv in die Kämpfe eingegriffen und einen syrischen Militärposten beschossen. Dabei sollen etliche syrische Soldaten getötet worden sein. Das türkische Parlament gab grünes Licht für mögliche Militäreinsätze im Nachbarland Syrien. Gegen Stimmen aus der Opposition billigten die Abgeordneten mehrheitlich einen Antrag der Regierung, der für ein Jahr Einsätze auch über die Grenze hinweg erlaubt.

Quasi entschuldigt

Die türkische Armee reagierte mit dem Angriff auf einen Granatenbeschuss von syrischer Seite, durch den im Dorf Akcakale am Mittwoch fünf Zivilisten, darunter mehrere Kinder, getötet und weitere 18 Personen zum Teil schwer verletzt worden waren. Ein Sprecher der syrischen Regierung hat sich im Laufe des Donnerstag quasi entschuldigt, den Familien der Opfer ihr Beileid ausgesprochen und eine Untersuchung angekündigt. Trotzdem setzte die Armee gestern den Beschuss des syrischen Militärcamps fort. In Akcakale begannen unterdessen die Aufräumungsarbeiten, etliche Gebäude sind durch den syrischen Granatenbeschuss beschädigt.

Der türkische Premier Erdogan hatte noch in der Nacht eine Stellungnahme verbreiten lassen in der es heißt, dass die Armee keine Grenzverletzung durch syrische Soldaten mehr unbeantwortet lassen werde. In Akcakale waren schon vor zwei Wochen mehrere Personen durch Gewehrschüsse von der syrischen Seite aus verletzt worden. Der Grund ist, dass Aufständische und Regierungstruppen um die Kontrolle des nahe gelegenen Grenzüberganges Tel Abjad kämpfen.

Die Opposition wirft der Regierung vor, durch die Unterstützung und Bewaffnung der syrischen Opposition schon länger eine Kriegspolitik zu betreiben. Auch in der türkischen Öffentlichkeit wird die aggressive Haltung der Erdo?an-Regierung gegen das Assad-Regime sehr kritisch gesehen. Die Mehrheit der Bevölkerung will auf keinen Fall in den sich ausweitenden syrischen Bürgerkrieg hineingezogen werden.

Für alle Fälle

Aus Regierungskreisen wurde gegenüber der Presse allerdings gestreut, Erdo?an wolle keinen offenen Krieg mit Syrien, es handele sich bei der Ermächtigung nur um einen Vorratsbeschluss für alle Fälle. Allerdings wird in der türkischen Regierung schon länger über die Errichtung einer Sicherheits - oder Pufferzone auf der syrischen Seite der Grenze diskutiert. Diese Zone, die aus der Luft überwacht werden müsste, sollte dazu dienen, Zuflucht für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge zu bieten und könnte jetzt außerdem den Rebellen ein von ihnen kontrolliertes Gebiet verschaffen.

Monatelang hatte die türkische Regierung darauf gehofft, dass der UN-Sicherheitsrat der Einrichtung einer solchen Zone zustimmen würde. Russland ist allerdings strikt gegen jede ausländische Intervention und lehnte auch in der letzten Nacht eine Verurteilung Syriens wegen der Grenzverletzung ab. Stattdessen hat die Türkei jetzt schon zum zweiten Mal versucht die Nato für ihre Pläne zu gewinnen. Die USA wollen aber von einer Militärintervention in Syrien ebenfalls nichts wissen.