Selten zeigte sich Angela Merkel im deutschen Bundestag so zufrieden und entspannt. Locker, die Hand in der Hosentasche, manchmal in den unverkennbaren Uckermark-Dialekt verfallend, lobt sich die deutsche Kanzlerin für ihren "tollen Kurs". "Super Arbeit" habe ihre schwarz-gelbe Regierung geleistet - nicht nur bei der Etatsanierung: "'Tschuldigung, wird man doch noch mal sagen dürfen."

Merkels Kampfeslust hat einen Grund: Kurz zuvor am Mittwochmorgen hatte das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und den von Deutschland durchgeboxten europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin gegeben - aber mit der Auflage, dass der Haftungsrahmen Deutschlands nicht ohne ein Ja des Bundestages geändert werden kann. Die Parlamentsrechte wurden abermals gestärkt, das vielzitierte Fass ohne Boden soll verhindert werden. Derzeit liegt die Obergrenze bei 190 Milliarden Euro.

Die Auswirkungen des Urteils in Kürze: Die Euro-Rettung scheitert nicht ausgerechnet an Deutschland. Der Dauer-Hilfsfonds kann nach wochenlanger Verzögerung nun starten, der Schutzwall um die Euro-Zone von insgesamt 800 Milliarden Euro steht. Die Hängepartie für Problemländer wie Italien und Spanien ist vorerst beendet, die Europäische Zentralbank (EZB) kann ihre Anleihenkäufe durchziehen und unter Auflagen so die Zinskosten für Euro-Krisenstaaten drücken.

Weitere Schritte nun möglich

Vor allem aber dürfte es für Merkel & Co. nun leichter werden, weitere Schritte bei der europäischen Integration zu gehen sowie langfristig Souveränität an Europa abzugeben. Und dafür nicht nur die zuletzt wachsende Schar widerwilliger Koalitionäre zu gewinnen, sondern auch die immer euroskeptischeren deutschen Steuerzahler.

In der Koalition dürften die Stimmen, die der Regierung permanenten Rechtsbruch vorwerfen, leiser werden. Mehrfach verfehlte Schwarz-Gelb zuletzt bei Abstimmungen zu Euro-Hilfen die politisch wichtige eigene Kanzlermehrheit. Etliche Unions- und FDP-Abgeordnete schlugen sich auf die Seite der Euro-Rebellen. Immer wieder waren Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei ihrem Rettungskurs auf SPD und Grüne angewiesen.

An diesem Mittwoch scheint es nach dem Karlsruher Urteil nur Sieger zu geben - unter den Euro-Skeptikern, Klägern und ESM-Befürwortern. Von einem "Super-Urteil" spricht ein führender Koalitionsmann. Die Begrenzung der Haftung Deutschlands sowie die Informationspflichten seien im Grunde in der nationalen Gesetzgebung schon längst berücksichtigt. Nun müsse die Haftungsgrenze halt auch völkerrechtlich sichergestellt werden. Schwarz-Gelb sieht im Urteil auch eine Absage an Eurobonds und einen Altschuldentilgungsfonds.

Opposition zufrieden

Dass die Linken wie andere Kläger "eins auf die Mütze bekommen hätten", mag ihr Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, so gar nicht erkennen. Nach seiner Kenntnis hat das Verfassungsgericht erstmals in der bundesdeutschen Geschichte entschieden, dass völkerrechtlich verbindliche Vorbehalte erklärt werden müssten. "Das ist sehr viel mehr als nichts", ruft Jurist Gysi ins Plenum.

Die Umsetzung der Karlsruher Auflage sei alles andere als leicht, womöglich müssten auch alle anderen Länder zustimmen, schiebt Gysi als weitere Mahnung nach. Die Verträge für Deutschland würden zudem nicht gelten, sollten die Vorbehalte nicht wirksam werden. Eigentlich aber sollten Schwarz-Gelb, SPD und Grüne sich bei der "lieben Linken" bedanken: "Wir haben eine Haftungrenze für Deutschland erreicht, und wir haben mehr Rechte für Bundestag und Bundesrat erreicht."

Auf eine Kündigungsklausel für den Fiskalpakt haben die Richter verzichtet. Auch das dürfte Merkels große Erleichterung erklären. Sie hatte stets darauf gepocht, dass die Fiskalpakt-Regeln verpflichtend und unwiderruflich festgeschrieben werden, damit der Pakt nicht durch jede neu gewählte Regierung wieder aufgekündigt werden kann. Ein Kündigungsrecht ist nicht vorgesehen. Kritiker hatten vor einem Verfassungsbruch gewarnt. Deutschland binde sich für die Ewigkeit, eine einseitige Kündigung sei unmöglich. Hätte Karlsruhe anders entschieden, wäre dies eine schwere Schlappe für Merkel gewesen.

Aber bei allem Jubel am Mittwoch - der Euro ist noch lange nicht über den Berg. Nur kann seine Rettung und die der Schuldenstaaten mit Fiskalpakt und ESM jetzt in die nächste Runde gehen. Im Wahlkampf für die Bundestagswahl in einem Jahr wird vor allem Merkel daran gemessen werden.