Sie werden im besten Fall geduldet, meistens jedoch diskriminiert und im schlimmsten Fall sogar verfolgt - die Christen in der islamischen Welt. Vor allem in den arabischen Ländern schrumpft ihre Zahl rasant. Beispiel Irak: Vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen 2003 lebten noch 1,5 Millionen Christen im Irak. Heute sind es noch geschätzte 400.000. Beispiel Palästina: Im Ursprungsland des Christentums gibt es nach Schätzungen noch knapp 50.000 Christen, rund 1,2 Prozent der Bevölkerung. Etwa die Hälfte von ihnen lebt im Distrikt Bethlehem. In der Geburtsstadt Jesu sind von den rund 25.000 Einwohnern nur noch rund 6500 Christen.

Auch im Libanon, in dem die Christen vor einem Jahrhundert noch die Mehrheit darstellten, sind sie heute, bedingt durch Abwanderung und die hohe Geburtenrate der Muslime, in der Minderheit - nur noch 30 bis 35 Prozent der Bevölkerung.

Dies habe in erster Linie mit der wirtschaftlichen und politischen Lage seit dem Ende des Bürgerkriegs zu tun, meint der Historiker Abdel-Raouf Sinno aus Beirut. Die Entstehung der Hisbollah, die seit 2006 das politische Leben im Libanon präge, habe bei den dort lebenden Christen Ängste vor einem erstarkenden schiitischen Fundamentalismus ausgelöst.

Wachsende Islamisierung

Auch in den Staaten des Arabischen Frühlings denken viele Christen über Auswanderung nach. Denn vor dem Hintergrund wachsender Islamisierung sehen sie für sich keine Zukunft mehr in den Ländern, in denen sie nach eigenem Verständnis die eigentlichen Ureinwohner darstellen, waren sie doch schon praktizierende Christen, als der Islam entstand.

Die Hoffnungen auf eine pluralistische Gesellschaft mit weitreichenden Freiheitsrechten, die die Demonstrationen vor eineinhalb Jahren begleiteten, sind inzwischen zerstoben, sagt Anba Damian, Generalbischof der Kopten in Deutschland. Die koptische Kirche ist die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Seit der Revolution häufen sich die Übergriffe gegen sie. Doch auch zuvor waren sie nur geduldet.

"In der Zeit von Mubarak haben wir keinen Schutz durch das Gesetz erfahren", erinnert sich Damian. "Aber wenigstens bekamen wir einen Teil unserer Rechte. Heute nicht mehr." Im Gegenteil: Viele Kopten fühlten sich in ihrem Heimatland schutzlos. So sähen sich koptische Frauen, die ohne Kopftuch herumliefen, Belästigungen ausgesetzt.

Besonders dramatisch ist die Situation im Bürgerkriegsland Syrien. Bis zuletzt hatte die Christin Um George gehofft, in Aleppo bleiben zu können. Aber als Regierungstruppen vor mehreren Wochen eine Großoffensive gegen die Rebellen starteten, blieb ihr wie Tausenden anderen nur noch die Flucht aus der syrischen Wirtschaftsmetropole. "Es gab keinen Strom, kein Gas, kein Benzin und kein Telefon mehr. Brot war auch nicht zu bekommen", erzählt die 70 Jahre alte Witwe in der libanesischen Hauptstadt Beirut, wo sie bei Verwandten untergekommen ist. Ihren wahren Namen will sie nicht sagen - Um George (Georges Mutter) nennt sie sich. Die Lage in Syrien weckt in ihr böse Erinnerungen. "Ich hasse es, ein Flüchtling zu sein", klagt sie. Hinter ihr an der Wand hängt ein Bild der Jungfrau Maria. "Das Gleiche ist mit den Christen im Irak geschehen. Als Saddam Hussein gestürzt wurde, mussten sie ihre Heimat verlassen."

In Syrien machen die Christen etwa zehn Prozent der 22 Millionen überwiegend muslimischen Einwohner aus. Sie sind die älteste Bevölkerungsgruppe in dem Land. Unter dem Regime von Präsident Baschar al-Assad, der der schiitischen Alawiten-Sekte angehört, haben sie relative Glaubensfreiheit genossen. Jetzt übernehmen mehr und mehr sunnitische Salafisten, Dschihadisten und Al-Kaida-Terroristen, die von Saudi-Arabien und Katar unterstützt werden, unter den Rebellen das Sagen.

Der Repräsentant der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Simon Jacob, meint, die Christen in Syrien würden verfolgt und vertrieben. "Es hat schon Hinrichtungen gegeben. Die Lage erinnert an die anhaltenden Christenverfolgungen im Irak." Jacob: "Assad ist ein Diktator - keine Frage. Aber wenn er gestürzt wird, wird sich das Machtvakuum für die Christen in Syrien weiter verschlechtern."

Hetzpropaganda

Wie schlimm die Lage für die Christen im Nahen Ost zunehmend wird, zeigt eine absurde Webseite von ägyptischen Salafisten: Sie warnen alle Moslems davor, Paradeiser zu essen. "Diese Frucht ist unchristlich", sagen sie. Denn halbiert man sie, "offenbart sie schonungslos ihren kreuzförmigen Innenraum". Türkische Zeitungen versuchen, zu relativieren: Essen dürfe man Paradeiser schon. Nur in zwei Hälften teilen solle man sie nicht . . .