Herr Stronach, Sie feiern am Donnerstag Ihren 80. Geburtstag. Leute in Ihrem Alter machen normalerweise nur noch, was ihnen Spaß macht. Warum tun Sie sich den Wechsel in die Politik noch an?

FRANK STRONACH: Mein Leben besteht nicht nur aus Spaß. Ich mache auch, was mir mein Gewissen sagt. Mein Gewissen sagt mir, ich soll Zeit, Geld und Energien aufwenden, um Österreich zu verändern, die Strukturen aufzubrechen, das System umzukrempeln. Das ist mein Hauptanliegen.

Warum ziehen Sie die Niederungen der Politik Ihrer Pferdeleidenschaft auf der Rennbahn vor?

STRONACH: Ich habe keine Angst vor den Niederungen der Politik. Überall hört man in Österreich, wenn man mit den Leuten redet: So kann es nicht weitergehen. Hoffentlich macht einmal jemand was. Ich bin jetzt da und mache den Österreichern ein Angebot. Sie können entscheiden, ob sie das alte System der Freunderlwirtschaft beibehalten wollen oder ob sie lieber mit Stronach mit dabei sein wollen. Das Stronach-System ist aufgebaut auf Wahrheit, Transparenz und Fairness.

Sie müssen als Spitzenkandidat durchs Land tingeln, vom Neusiedlersee bis zum Bodensee. Die Öffentlichkeit wird Ihnen genau auf die Finger schauen. Sie sitzen im Glashaus. Ist Ihnen bewusst, auf was Sie sich da einlassen?

STRONACH: Ich weiß das sehr genau. Als Gründer und Chef einer Firma, die an der Börse notiert ist, war ich es gewohnt, im Glashaus zu leben. Tausende Rechtsanwälte warten darauf, dass du einen Fehler machst.

Sie sagen, die meisten Politiker haben keine Ahnung, wie die Wirtschaft funktioniert. Wissen Sie, wie die Politik funktioniert?

STRONACH: Es gibt Parallelen zwischen Politik und Wirtschaft. Wenn du als Firma keinen Profit machst, geht die Firma zugrunde. In Österreich häufen die Politiker immer mehr Schulden auf, und irgendwann muss die Rechnung bezahlt werden. Wenn der Riesenschuldenberg weiterwächst, geht auch der Staat zugrunde. Als Firmenchef muss man ein soziales Gewissen haben. Man muss die Arbeiter für sich gewinnen, den Arbeitern jeden Tag unter Beweis stellen, dass man fair, ehrlich und transparent arbeitet. In Österreich regiert leider die Freunderlwirtschaft. Die Regierung wird von der Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Raiffeisenbank bestimmt. Pröll und Häupl mischen ein wenig mit. Das kann es wohl nicht sein.

Das hat schon Jörg Haider versucht.

STRONACH: Ich will nicht mit Haider verglichen werden. Haider hatte auch keine Wirtschaftserfahrung. Die Regierungen der letzten 50 Jahre waren völlig unfähig. Ich kenne die meisten Politiker. Es sind nette, anständige Leute, aber sie haben keine Ahnung, wie ein Land gemanagt werden soll. Sie sind Gefangene des Systems. Sie wollen vielleicht sogar etwas ändern, aber sie wollen nicht die Macht abgeben.

Aber Österreich steht wirtschaftlich nicht so schlecht da.

STRONACH: Laut UBS-Studie sind die Einkommen seit Einführung des Euro stark gesunken, im Schnitt um 20 Prozent, bei den Ärmsten um bis zu 35 Prozent. Und obendrauf haben wir keine wirkliche Demokratie in Österreich.

Moment, die Leute können jederzeit die Regierung in die Wüste schicken.

STRONACH: Wenn du mit einem Österreicher sprichst, dann wird er dir sagen: Die Politiker sind alle gleich. Alle versprechen was, können es aber nicht halten. Seit wir den Euro haben, ist der Lebensstandard in Österreich stark gesunken.

Der Euro ist aber auch eine Erfolgsstory.

STRONACH: Wer sagt denn das? Der Euro ist keine Erfolgsstory, ganz im Gegenteil! Jenen Ländern, die nicht dabei sind, geht es viel besser. Sie können die Schweizer, Norweger, Schweden und Dänen fragen, ob die zum Euro kommen würden. Die kommen garantiert nicht!

Sie fordern den Austritt Österreichs aus dem Euro und die Wiedereinführung des Schillings.

STRONACH: Das stimmt so nicht. Meine Präferenz ist, wenn sich die Länder, die besser aufgestellt sind - wie die Nordländer, etwa Deutschland, Österreich, die Niederlande - zusammentun und eine eigene Währungsunion bilden. Die Südländer ziehen alle mit in den Abgrund. Wenn das nicht möglich ist, sollte man alle Szenarien durchspielen.

Es gibt aber keinen einzigen Wirtschaftswissenschaftler, der die Rückkehr zum Schilling fordert.

STRONACH: Es gibt nachweislich viele Wirtschaftsleute und anerkannte Ökonomen, die schon bei der Einführung des Euro dagegen geklagt haben. Wir müssen jetzt an Alternativen denken. Vielleicht führen wir den Schilling mit unseren Nachbarstaaten ein. Das Problem des Euro ist die Gleichmacherei. Man eliminiert die Konkurrenz. Die Brüsseler Superbürokratie will den Ländern die Budgetpolitik diktieren. Das kann es doch nicht sein, dass Brüssel sagt, wie die Steirer leben sollen.

War es dann ein Fehler, dass Österreich 1995 der EU beigetreten ist?

STRONACH: Nein, es geht nicht um die EU, es geht um die Währung. Ich will ein starkes Europa und dass die Europäer in Frieden und Wohlstand leben. Die Währung ist das wirtschaftliche Spiegelbild eines Landes. Unser Problem ist, dass die Realwirtschaft immer mehr von der Finanzwirtschaft abgelöst wird. Die Banker wollen das Geschehen bestimmen. Bei der Abstimmung zum ESM haben die SPÖ und die Gewerkschaften die Arbeiter an die Banken verraten. Die Grünen haben mitgespielt, weil sie am Futtertrog stehen wollen. Bei der ÖVP war immer klar, dass sie für die Banken stimmt.

Zurück zum politischen Engagement: Bis vor Kurzem hieß es, Sie sehen Ihre Aufgabe darin, einer politischen Bewegung auf die Sprünge zu helfen. Sie haben beteuert, nie Spitzenkandidat werden zu wollen. Jetzt sind Sie es doch. Haben Sie so viele Absagen eingehandelt?

STRONACH: Mir geht es um Werte, also Wahrheit, Transparenz, Fairness. Das ist mein Hauptanliegen. Unser Grundprinzip ist ein Einfaches: Was können wir tun, um Arbeitsplätze zu halten, neue zu schaffen und den Wohlstand der Bürger zu verbessern? Ich will ja nicht Bundeskanzler werden.

Das verstehe ich nicht. Sie wollen Österreich umkrempeln, aber nicht Kanzler werden?

STRONACH: Mir geht es nicht um Ämter, sondern um die Werte. Wir werden einen Ehrenkodex festlegen. Wer sich nicht daran hält, wird aus der Partei ausgeschieden. Ich möchte der Garant der Werte sein.

Wer dann? Sigi Wolf?

STRONACH: Der Sigi wäre ein guter Kanzler. Er hat aber bisher weder Ja noch Nein gesagt.

Muss nicht das Ziel sein, in die Regierung zu kommen?

STRONACH: Natürlich ist das unser Ziel. Als Bundeskanzler muss man 24 Stunden für Österreich da sein. Das muss dann jemand anders machen.

Können Sie sich mit allen Parteien eine Koalition vorstellen, also auch mit Strache?

STRONACH: Wir konzentrieren uns nur auf die Werte. Wenn die Werte nicht passen, gehen wir keine Koalition ein. Das ist ganz einfach.

Einen Wertekatalog kann jede Partei unterschreiben?

STRONACH: Die Werte müssen aber auch gelebt werden! Die jetzige Regierung ist aber nicht für wirkliche Veränderungen und direkte Demokratie, weil sie an der Macht klebt. Die Abgeordneten sollen direkt gewählt werden, nicht von den Parteiapparaten bestimmt werden. Derzeit wird alles in den Hinterzimmern ausgepackelt.

Sind Sie wenigstens bereit, als Abgeordneter ins Parlament einzuziehen?

STRONACH: Ich werde eine gewisse Zeit in Österreich verbringen. Wenn ich nicht die ganze Zeit dort sein muss, mache ich es.

Die Leute, die Sie jetzt präsentiert haben, sind nicht die erste Wahl, sondern eher die dritte Garnitur. Haben Sie bei der Rekrutierung des Personals Probleme?

STRONACH: Nein, ganz im Gegenteil, wir haben sehr gute Leute! Die, die in der Politik jetzt ganz vorne stehen, das sind lauter Ja-Sager und Systemerhalter! Die Persönlichkeiten, die zu uns gekommen sind, sind mit der jetzigen Politik nicht einverstanden, die sind keine Ja-Sager und haben eine eigene Meinung! Außerdem bin ich davon überzeugt, dass sich noch viele finden werden, die unsere Werte teilen und die einen guten Leumund haben. Lassen Sie sich überraschen!

Bucher wirft Ihnen vor, dass Sie versucht haben, ihn um 500.000 Euro zu kaufen.

STRONACH: Er hat das, glaube ich, schon korrigiert. Die 500.000 Euro waren natürlich nicht für Bucher, sondern für die Partei bestimmt, falls wir gemeinsam weitergemacht hätten. Ich finde Bucher nett und anständig. Ich bin mit ihm einer Meinung, dass die derzeitige Regierung Österreich nicht weiterhilft. Wir konnten uns aber nicht darauf einigen, wie wir Österreich auf einen besseren Weg bringen. Daran ist das Engagement gescheitert.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, Sie hätten Ihre Abgeordneten gekauft. Von 15.000 Euro ist die Rede.

STRONACH: Das stimmt nicht. Jeder dieser Abgeordneten bezieht weiterhin sein Abgeordnetengehalt. Die Frage hat sich gar nicht gestellt.

Kein einziger Euro ist geflossen?

STRONACH: Wenn Spesen anfallen, übernehmen wir sie natürlich.

Wollen Sie im Nationalrat Klubstatus erhalten?

STRONACH: Das ist unser Ziel, und da bin ich sehr zuversichtlich. Abgeordnete wollen ja nicht bei den Verlierern, sondern bei den Gewinnern dabei sein. Als Klub kann man besser seine Inhalte rüberbringen. Wenn sich bei den Leuten herumspricht, was ich alles geleistet habe, wie anerkannt ich in der Welt bin, welche sozialen Aktivitäten ich setze und schon gesetzt habe, wird der Zulauf noch ein höherer sein. Die Klubförderung, die wir dann bekommen, würden wir zur Gänze einem karitativen Zweck zukommen lassen.

Androsch wirft Ihnen vor, Sie hätten noch keinen Euro in die Bildung gesteckt.

STRONACH: Ich habe einen Brief geschrieben und gesagt, ich finde es sehr traurig, dass er solche Unwahrheiten behauptet. Ich habe in den letzten sechs Jahren in Österreich allein 36 Millionen Euro in Forschung, Bildung, Universitäten gesteckt. In Summe habe ich allein in Österreich in dieser Zeit 100 Millionen Euro für soziale Zwecke gespendet.

Wie wird die neue Partei heißen?

STRONACH: Das geben wir Ende September bekannt. Wir überlegen noch.

Der Name Stronach wird dabei sein?

STRONACH: Ich hoffe es.

Wird Arnold Schwarzenegger eine Rolle spielen?

STRONACH: Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen. Ich würde mich sehr freuen.

Ein zweites wichtiges Thema ist ein schlanker Staat: Ist eine Zusammenlegung von Bundesländern vorstellbar?

STRONACH: Wenn wir in der Regierung sind, wollen wir nicht gleich mit der Motorsäge reingehen, sondern zivilisiert an die Lösung der Probleme herangehen. Eines ist aber auch klar: In dieser Frage darf es keine Tabus gehen. Man muss alles genau durchleuchten, um zu sehen, wie wir die Schulden reduzieren, die Pensionen sichern können.

Brauchen wir das Amt des Bundespräsidenten?

STRONACH: Nichts ist ein Tabu. Österreichs Verwaltung ist gewaltig. Wir haben 22 Sozialversicherungen mit 22 Präsidenten, 22 Vizepräsidenten, Dienstautos.

Aber die Autoindustrie freut sich über so viele Dienstautos.

STRONACH: Die Autoindustrie freut sich über jeden Auftrag.

Soll Österreich an der Wehrpflicht festhalten?

STRONACH: Wenn die Regierung nicht mehr weiterweiß, werden solche Befragungen gemacht. Eigentlich ist es Aufgabe der Regierung, darauf eine Antwort zu finden. Manager müssen auch manchmal Entscheidungen treffen, die nicht populär sind.

Das steht aber im Widerspruch zu Ihrer Forderung nach einem Ausbau der direkten Demokratie.

STRONACH: Wieso hat man das nicht schon vor zehn Jahren gemacht? Wir haben in der Frage unsere Position noch nicht festgelegt. Man kann ja nicht alles wissen. Wenn man Entscheidungen trifft, muss man sich Rat bei den richtigen Leuten holen. Wir sind noch nicht so weit.

Werden Sie auch eine Position zur Zuwanderung im Programm haben?

STRONACH: Wir sind ein kleines Land. Wir würden einen Immigrationsstopp verhängen. Nur der Familiennachzug und die Zuwanderung von hoch spezialisierten Fachkräften, die die Wirtschaft braucht, soll möglich sein. Österreich ist ein kleines Land, wir können nicht mehr Leute aufnehmen. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun.

Ist es nicht absurd, dass Sie, der in Kanada mit offenen Armen aufgenommen wurde, so denkt?

STRONACH: Wie ich hergekommen bin, habe ich die kanadische Kultur akzeptiert und nicht kritisiert. Das darf man sich wohl von einem Einwanderer erwarten.

Wie ist das jetzt eigentlich? Zahlen Sie in Österreich Steuern? Sie haben ja eine Briefkastenfirma in einem Schweizer Steuerparadies.

STRONACH: Ich bin ganz transparent. Ich habe eine Firma in der Schweiz, habe aber dort kein Geld geparkt. Was Österreich anbelangt, so habe ich das jetzt genau prüfen lassen. Ich zahle ungefähr eine Million Euro in Österreich. Ich glaube, ich zahle prozentuell mehr Steuern als die Raiffeisen und sicher mehr als jeder andere österreichische Politiker. Die Hauptsteuer zahle ich in Kanada.

Es gibt das Gerücht, dass Sie engere Kontakte zu Scientology haben.

STRONACH: Ich bin so ein normaler steirischer Bauernbua. Ich bin römisch-katholisch, gehe selten in die Kirche, sage aber hin und wieder ein leises Gebet, wenn ich in den Wald gehe. Solche Gerüchte gab es schon öfters. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu Scientology.

Was haben Sie, als Sie als junger Mann noch in Österreich waren, eigentlich gewählt? Der Vater war Kommunist.

STRONACH: Mit 18 hat mich damals Politik nicht interessiert. Ich habe Fußball gespielt.

Dass Sie sich in Österreich engagieren, hat das auch mit Sentimentalitäten zu tun?

STRONACH: Natürlich. Ich fühle mich wohl, wenn ich nach Österreich komme. Ich habe einen starken Akzent. Ich könnte ohne Akzent sprechen, aber dann wäre ich nicht authentisch.

Wo sind Sie zu Hause? Österreich? Kanada?

STRONACH: Im Flugzeug. Zu meinem Engagement: Ich mache mir einfach Sorgen, dass die Bürger weltweit immer mehr unter die Kontrolle von Banken und der Finanzwirtschaft geraten. In den westlichen Ländern nehmen Bürokratie und Zentralismus langsam die Überhand. Das ist nicht im Interesse der Bürger.

Nochmals: Sind Sie nicht eher in Kanada zu Hause?

STRONACH: Ich bin in Kanada groß geworden. Ich tue mir leichter auf Englisch. Auf Deutsch brauche ich oft länger, um das richtige Wort zu finden. Aber auf Steirisch geht es fließend!

Was kann Österreich von Kanada lernen?

STRONACH: Die Großzügigkeit, hier gibt es weniger Neid. Hier sagen die Leute: Ich möchte auch einmal so viel verdienen wie der Stronach. In Österreich heißt es: Der verdient zu viel. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Ich bin für jedes soziale Engagement, aber ich halte nichts davon, dass der Staat alles richtet.

Was kann sich Kanada von Österreich abschauen?

STRONACH: Es wird immer weniger. Früher hatten wir hervorragende Berufsschulen. Wir müssen in Österreich wieder die Eigenverantwortung stärken. Die Leute müssen sagen: Wir wollen ein eigenes Haus bauen, nicht eine Gemeindewohnung. Wir wollen frei sein, unser Leben leben. Das ist auch der Kern meines Engagements.

Könnten Sie in den USA wählen, würden Sie dann wahrscheinlich Romney wählen.

STRONACH: Ich würde Romney wählen, weil er die individuelle Freiheit und die Eigenverantwortung hochhält. Die Leute müssen begreifen: Alles, was dir der Staat gibt, nimmt er dir vorher weg.

Was ich immer schon einen Milliardär fragen wollte: Stimmt die Behauptung, dass die erste Million die schwierigste war?

STRONACH: Der Erfolg des Lebens kann nur daran gemessen werden, wie glücklich man ist. Es ist aber auch leichter, glücklich zu sein, wenn man Geld hat. Wie man zu Geld kommt? Ich habe Studenten gesagt: Ihr müsst irgendetwas machen, was ihr gern macht. Wenn ihr das gern macht, dann werdet ihr gut. Und wenn ihr einen besonderen Einsatz an den Tag legt, dann könnt ihr die Besten werden. Geld ist ein Nebenprodukt.

Sie feiern Ihren 80. Geburtstag. Rückblickend können Sie nur sagen, dass Sie alles richtig gemacht haben?

STRONACH: Egal, wie reich du bist, wie berühmt du bist, wie gut du aussiehst: Du kannst nie alles haben. Du musst den inneren Frieden finden. Du musst in den Spiegel schauen können und ein reines Gewissen haben. Ich fühle mich sehr privilegiert. Den inneren Frieden, den habe ich gefunden.