Der Weg von der türkischen Grenze nach Aleppo führt über zahlreiche kleine, staubige Straßen und offenes Gelände. Dutzende junge Männer springen im Schutz der Dunkelheit mit ihren Kalaschnikows auf weiße Transporter, die sie in die Stadt bringen sollen. Sie, die Kämpfer vom Land, wollen den Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad jetzt auch in die Wirtschaftsmetropole tragen.

"Wir haben die ländlichen Gebiete der Provinz befreit", sagt in einem nahe gelegenen Dorf ein Befehlshaber der Rebellen, der sich Abu Haschisch nennt. "Wir haben lange auf den Aufstand der Leute in Aleppo gewartet, aber er kam nicht. Wir konnten nicht länger auf sie warten und mussten die Revolution zu ihnen bringen." Der kleine schmächtige Mann mit dem herabhängenden Schnurrbart bedient mehrere Handys auf einmal. Es geht um die Organisation des nächsten Konvois in die Millionenstadt. Treibstoffkanister und selbst hergestellte Handgranaten liegen gestapelt vor dem Haus - fertig zum Abtransport.

Kämpfer vom Land

"Rund 80 Prozent der Kämpfer in Aleppo kommen vom Land", sagt Haschisch. "Aleppo ist eine Geschäftsstadt, die Leute dort wollten eigentlich neutral bleiben. Jetzt aber, seit wir da sind, scheinen sie uns zu akzeptieren." Obwohl der Aufstand bereits sei 16 Monaten anhält, ist es in Aleppo, wo vor allem konservative muslimische Familien und Geschäftsleute leben, bis vor kurzem überwiegend ruhig geblieben.

Ermutigt wurden die Kämpfer, sagen sie, durch den Anschlag auf die Militärspitze Assads in Damaskus, bei dem unter anderen der Verteidigungsminister getötet wurde. "Der Anschlag gab uns Auftrieb" erzählt ein Aufständischer, der sich dem Konvoi anschließt und sich Abu Bakir nennt. "Aleppo ist das wirtschaftliche Zentrum, die wahre Quelle der Macht des Regimes. Wenn wir es hart treffen und uns halten können, können wir Bashar niederringen". Kurz vor Morgengrauen erreichen sie mit "Gott ist groß"-Rufen die Vororte von Aleppo. Die Gefechte beginnen, Maschinengewehrfeuer ist zu hören und das Donnern von Panzergeschützen. Am Himmel ist ein Kampfjet der Luftwaffe zu sehen.

Busse als Panzersperren

Die Straßen des von den Rebellen gehaltenen Stadtviertels sind übersät mit umgestürzten ausgebrannten Bussen. Sie sollen als Panzersperren dienen. An der von Palmen gesäumten Straße stehen auch die Überreste eines Panzers. Bisher hätten sie auf freiem Land kämpfen müssen, sagt der 23-jährige Hakur in Tarnkleidung. "Hier ist es viel besser. Man kann sich in den Gassen und Gebäuden verstecken. Wir bleiben solange, bis Aleppo befreit ist."

Die Rebellen haben sich in einer Schule niedergelassen. Einer von ihnen hat im Musikzimmer ein elektrisches Keyboard gefunden. Andere spielen Tischtennis in der Eingangshalle. Die Rebellen trinken Limonade, singen und reißen Witze. Aber ihr Jubel ist verfrüht. Nur einige Minuten später erschüttert eine laute Explosion das Gelände. Die Kämpfer greifen ihre Waffen und stürzen in den Keller - die syrische Armee macht deutlich, dass sie entschlossen ist, den Aufstand niederzuschlagen. Die Schule gerät unter Beschuss von Mörsergranaten - die Rebellen entscheiden sich, ihren Stützpunkt zu wechseln.

Wieder außerhalb der Stadt spricht Befehlshaber Abu Haschisch von mehr Opfern, die gebracht werden müssen. Jetzt sei die Zeit gekommen, dass die Brüder in den Städten die Last mittragen müssten. "In Aleppo denken sie nur ans Geschäft, an Geld. Sie denken an ihr eigenes Leben, sie denken an die Zukunft ihrer Kinder. Sie kämpfen nicht gegen das Regime, weil sie sich nur um das hier und jetzt kümmern", beklagt er. "Auf dem Land wissen wir, dass wir die Gegenwart aufgeben müssen. Ich werde mein eigenes Leben und das meiner Kinder opfern. Lasst sie unsere Häuser zerstören. Dieser Kampf ist für die kommende Generation, die die Chance auf ein Leben in Würde haben wird. Dafür bin ich bereit, alles zu opfern."