Der frühere nordkoreanische Machthaber Kim Jong-il hatte ein Faible für Hollywood-Filme. Seine Filmsammlung enthielt angeblich bis zu 30.000 Streifen. Die Bevölkerung musste sich unterdessen mit weitgehend heimischen Produktionen begnügen, die zum großen Teil der Propaganda des stalinistischen Staates und der moralischen Erbauung dienten. Ob Kims Sohn und Nachfolger Kim Jong-un die Vorliebe seines im Dezember gestorbenen Vaters teilt, ist nicht bekannt. Allerdings zeigte sich auch Kim Junior zuletzt offen für die Popkultur des Erzfeindes USA.

Kim Jong-un gibt sich bürgernah

Die Staatsmedien zeigten Kim in vorderster Reihe eines Konzertpublikums, das den Auftritt von Tänzern in Disney-Kostümen wie Mickey Maus oder Pu der Bär verfolgte. Die Welt reagierte überrascht. Nicht nur wegen der Disney-Show: Als Mitglied der Bühnenband traten Frauen in für Nordkoreas Verhältnisse auffallend kurzen Kleidern auf. Kim selbst schmückte sich mit einer mysteriösen jungen Frau an seiner Seite. Experten rätseln: Handelt es sich um Kims Schwester oder gar um seine Partnerin? Kim wolle seinen eigenen Stil durchsetzen, glauben Beobachter. Bei den vom Vater übernommenen Inspektionsreisen durchs Land zeige sich der junge Kim bürgernah. Es sei um ein freundliches Image bemüht, um seine Herrschaft in der Bevölkerung zu festigen. Politisch ist das weitgehend isolierte Regime jedoch vor allem seit dem Tod Kim Jong Ils auf Kontinuität bedacht.

Gleichwohl sind Veränderungen sichtbar, wenn auch hauptsächlich auf Pjöngjang beschränkt. Die Zeichen eines Aufschwungs sind schon seit den letzten Jahren Kim Jong-ils zu beobachten gewesen. "Die Menschen treten nicht mehr so verängstigt gegenüber Ausländern auf", sagt ein westlicher Besucher. In der Stadt und auf dem Land seien trotz internationaler Sanktionen gegen das verarmte, aber atomar gerüstete Land Luxusgüter zu sehen, von denen man vor fünf Jahren nur träumen konnte. Es gebe mehr Handys, Schmuck und Luxusautos. Außer deutschen Marken sind auch eine große Zahl chinesischer Marken zu sehen.

Bauboom und mehr Information

Es ergibt sich jedoch ein widersprüchliches Bild. Auf der einen Seite berichten Besucher, dass die Menschen einen breiteren Zugang zu Konsumgütern haben. Allerdings sind diese zum großen Teil für die meisten unerschwinglich, auch wenn allgemein mehr Bargeld als zuvor im Umlauf ist. Vom Angebot profitieren vor allem die mittlere bis höhere Funktionärsschicht. "Die Führung muss die Leute in Pjöngjang bei der Stange halten", heißt es in der Hauptstadt. Das gesamte Stadtbild hat sich verändert. Vor allem fand in den vergangenen Jahren ein beispielloser Bauboom statt. "Sehr viele Leute sprechen Englisch", sagt ein Besucher Pjöngjangs. "Man ist heute viel besser informiert, was sich im Ausland abspielt." Unter anderem gelangen südkoreanische und chinesische Fernsehdramen als DVD oder Video über die Grenze zu China in das immer noch weitgehend abgeschottete Land.

Schon die Verbreitung von Handys sei angesichts der bisher erfolgreichen Strategie bedeutungsvoll, Pjöngjang vom Rest des Landes zu trennen, sagt ein anderer. Rund eine Million Nordkoreaner besitzen ein Handy - was immer noch weniger als fünf Prozent der Bevölkerung ist. Anrufe ins Ausland sind freilich für den normalen Bürger genauso wenig möglich wie der Internetzugang. "Das Wichtigste ist immer noch das Hörensagen", heißt es. "Ich würde nicht soweit gehen, dass die Gesellschaft im Wandel ist. Das Land ist handelspolitisch im Wandel", sagt ein westlicher Beobachter. Vor allem aber hat sich die Abhängigkeit von China deutlich verstärkt.

Nordkorea habe sich ein bisschen geöffnet, sagt der Projektleiter der Hanns Seidel-Stiftung in Seoul, Bernhard Seliger zu den Veränderungen. Das Land nehme mehr an internationalen Aktivitäten teil, dazu gehörten Tourismus und Ausbildungsmaßnahmen. Es gebe Berichte, dass Leute zur Schulung im ökonomischen Bereich nach China geschickt werden. "Und all das führt mich dazu, dass Nordkorea möglicherweise auch den Weg der Öffnung geht, die China ihm seit langem anempfiehlt." Die Frage sei bloß, wie sich das auf die Stabilität auswirke.