So einfach ist es gar nicht, ins "Haus des syrischen Volkes" zu kommen. Für Normalsterbliche ist die Ausstellung, die eigens für die Konferenz der Syrien-"Freundesgruppe" in Paris zusammengestellt wurde, ohnehin gesperrt. Aber auch alle anderen müssen mehrere Kontrollen über sich ergehen lassen. Außer man heißt François Hollande. Dafür bekommt der französische Präsident am Freitag dann aber eine Lektion, was die syrische Opposition vom Rest der Welt so alles erwartet.

Zwischen "Verhaftet den Mörder"-T-Shirts, die Machthaber Bashar al-Assad schon hinter Gittern zeigen, und einem Großbildschirm, auf dem in einer Dauerschleife Videos mit Leichen laufen, wird Hollande bei seinem kurzen Rundgang als Gastgeber der Konferenz mit den verschiedensten Forderungen konfrontiert - von mehr humanitärer Hilfe über weitere Wirtschaftssanktionen gegen das Assad-Regime bis hin zu militärischer Unterstützung.

Ein junger Syrer mit Halstuch in den Landesfarben fasst die Grundstimmung später ganz gut zusammen: "Konferenzen und Erklärungen gibt es jetzt schon genug. Aber bei uns zuhause dauern die Massaker an. Wir brauchen jetzt einen konkreten Plan, wie es weitergeht."

Der Unmut über die aktuelle Entwicklung wird im großen Konferenzraum von den meisten Mitgliedern der "Freundesgruppe" durchaus geteilt. Aber über Reden kommt man hier in Paris nicht hinaus. Einer der bewegendsten Momente ist die Schweigeminute für die mutmaßlich schon mehr als 16.000 Toten.

In der Abschlusserklärung, auf die man sich schon im Vorfeld geeinigt hatte, zeigen sich die 107 Staaten und Organisationen einig, den Druck auf Assad weiter zu erhöhen. "Dringend" wird ein Beschluss des UN-Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen angemahnt, um Maßnahmen nach Artikel 41 durchzusetzen. Damit könnten - unter Ausschluss von Waffengewalt - weltweit gültige Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt werden.

Russische und chinesische Vertretung blieb aus

Angesichts des Widerstands der beiden Veto-Mächte Russland und China hat das Vorhaben bislang jedoch keine Chancen. Beide Sicherheitsratsmitglieder verzichteten darauf, in Paris zu erscheinen. Alle Versuche, sie zum Einlenken zu bewegen, blieben bisherg ohne Erfolg. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle stand der Ärger über die Abfuhr, die er sich am Tag zuvor in Moskau eingehandelt hatte, am Freitag noch ins Gesicht geschrieben.

Groß ist in der deutschen Delegation vor allem der Groll über Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich irritiert. Der Vertraute von Kreml-Chef Wladimir Putin hatte aus vertraulichen Regierungsgesprächen berichtet, indem er ausplauderte, dass Merkel bei Putins jüngstem Berlin-Besuch Möglichkeiten für ein Exil Assads in Russland auslotete. Und dies dann auch noch als "Witz" abtat.

Aber auch bei einigen anderen Ländern wächst der Ärger über die Blockade-Haltung Russlands. Hollande forderte Moskau und Peking ziemlich unverblümt auf, Assad fallen zu lassen. "Wer das so verachtenswerte Assad-Regime unterstützt, um Chaos zu verhindern, dem sage ich: Sie werden das verachtenswerteste Regime bekommen und das Chaos dazu." US-Außenministerin Hillary Clinton warnte beide ebenfalls davor, weiterhin "an der Seitenlinie zu stehen". Ähnlich äußerte sich der britische Außenminister William Hague.

Die "Freundesgruppe" nutzte ihre inzwischen dritte Konferenz jedoch auch dazu, der syrischen Opposition ins Gewissen zu reden, die seit Monaten ein Bild der Zerrissenheit bietet. Als "glaubwürdige Alternative" zum gegenwärtigen Regime werde jetzt eine "geeinte Front" gebraucht, die sich über ihre Ziele einig sei. Daran gibt es international schon länger erhebliche Zweifel.

General ergiff die Flucht

Unterdessen ist ein Jugendfreund und langjähriger Vertrauter des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, General Munaf Tlas (Tlass) offenbar abgetaucht. Wie ein Kenner der Führung in Damaskus am Freitag sagte, tauchte Tlas vor drei Tagen unter und "scheint Syrien verlassen zu haben". Er soll in die Türkei geflohen sein.

Wenn sich der Hinweis bestätigt, ist dies nach einer Vielzahl von Desertionen der größte Prestige-Verlust für die Führung des Landes. Der Vater von General Tlas, General Mustapha Tlas, war Verteidigungsminister und ein Freund des Vaters von Bashar al-Assad, dem langjährigen Präsidenten Hafez al-Assad.

Der Sunnit Munaf Tlass stammt aus Rastan in der Provinz Homs, die sich derzeit unter der Kontrolle der syrischen Aufständischen befindet. General Munaf Tlass gehörte lange Jahre zur Republikanischen Garde, einer Elite-Einheit, die für die Sicherheit der Staatsführung unmittelbar verantwortlich ist.

Vor etwa einem Jahr soll General Munaf Tlass das Vertrauen der Staatsführung verloren haben. Er hatte sich um einen Ausgleich zwischen der Führung in Damaskus und den Rebellen bemüht. In den vergangenen Monaten hatte er den Angaben des Insiders zufolge die Uniform gegen zivile Kleidung getauscht. Außerdem habe er sich lange Haare und einen Bart wachsen lassen. Nach Angaben aus dem Umfeld des Generals begab sich dessen Familie bereits zuvor ins Ausland.