Die Internet-Gemeinde reagierte gewohnt schnell. Mittwochvormittag hatten sich bereits 500 Menschen zur Facebook-Gruppe "Fremdschämen für den Strohsackfranz" vereint, um ihrer Empörung Raum zu geben. Da war der skurrile "Zeit im Bild2"-Fernsehauftritt des Milliardärs Frank Stronach erst wenige Stunden Geschichte. Stronach hatte Dienstagnacht als Studiogast erst gar nicht auf Fragen der Moderatorin gewartet, sondern sofort eine Philippika gegen Euro, Europa und die Politik vom Stapel gelassen. "Als Steuerzahler" habe er das Recht, sich zu äußern, polterte der 79-Jährige. Später machte er sich noch erbötig, bei künftigen TV-Auftritten einem breiten Publikum "die Wahrheit zu übermitteln".

Belächelt und bewundert

Ob die Welt auf seine Wahrheit wartet, wird vorerst kontroversiell diskutiert. Die Online-Kommentare reichen von schärfster Ablehnung bis zu größter Anerkennung. Zwischen Belächeln und Bewundern liegt ein schmaler Grat. Hemdsärmeligen Patriarchen, die sich kernig zu Rächern des geknechteten Volkes stilisieren, wird hierzulande oft mit devoter Angstlust applaudiert. Insofern ist der schrille Glanz des Patriarchen ein Spiegelbild herrschender Verhältnisse.

Der rastlose Pensionär ist freilich nicht auf Zuspruch angewiesen. Seit Wochen zieht er mit simpel formulierten Inseraten gegen den Euro-Schutzschirm ESM zu Felde, heimst den Applaus der Stammtische ein und verbreitet im Polit-Establishment Angst und Schrecken. Der ehedem Neoliberale, der in der Steiermark eine Wahlempfehlung für SPÖ-Kandidat Franz Voves gab und von der Republik mit höchsten Ehrenzeichen dekoriert wurde, gefällt sich zunehmend als populistischer Outlaw mit bemerkenswert dünner Substanz. Stronach ist drauf und dran, sich im Kraftfeld heimischer Ideengeschichte irgendwo zwischen Jörg Haider, Hans-Peter Martin und Richard Lugner einzunisten.

Was ihn antreibt, bleibt fraglich. Möglicherweise ist er persönlich davon überzeugt, die Gesellschaft vor einem fatalen Fehltritt retten zu müssen. Es könnte aber auch sein, dass er nach Tennis, Rennpferden und Fußball-Sponsoring ein neues Steckenpferd entdeckt hat. Oder dass er nach jener Bedeutung sucht, die ihm 2010 mit dem Abgang beim selbst geschaffenen Magna-Industrieimperium abhandengekommen ist.

Akademische Sehnsucht

Stronach, der tüchtige Werkzeugmacher aus Kleinsemmering bei Weiz, hat in seiner turbulenten Vita durchaus erstklassige Leistungen aufzuweisen, und das nicht nur als Pate seiner eigenen Weltkarriere. An heimischen Universitäten gibt es eine Frank-Stronach-Akademie, ein Frank-Stronach-Institut, eine Frank-Stronach-Forschungsgruppe. Der Mäzen sucht den akademischen Glanz. Scheckbuch und Visitenkarte hat er immer dabei. Geben und Nehmen, Loyalität und Dankbarkeit, Fleiß und "guter Charakter" sind die Säulen seines Weltbildes, das so ganz und gar nicht ins ökonomische Biotop Österreichs passt. Das Land, in dem niemand reich sein darf, aber jeder aufs Wochenende und die Frühpension wartet, hört nicht gern Stronachs Loblieder auf den Wert eigener Leistung und Tüchtigkeit. Umgekehrt fügt sich der Ho-Ruck-Milliardär ungern ins Korsett heimischer Rechtsstaatlichkeit.

Vergebliche Träume

Diesem Kulturkampf fiel manches Projekt zum Opfer. Eine Betriebsansiedlung hier, ein Gesundheitszentrum dort, ein Luxushotel am Wörthersee: Die Zahl der nicht verwirklichten Stronach-Pläne steht den realisierten Ideen um nichts nach. Man erinnere sich an die 140 Meter hohe "Weltkugel", die der Kanada-Heimkehrer zu Mitte der 1990er Jahre in Ebreichsdorf aufstellen wollte. Stronach lässt seine Arbeiter am Erfolg teilhaben, aber er will es nicht auf Basis von Rechtsansprüchen oder auf Geheiß von Gewerkschaften tun, sondern als Patriarch in Spendierhosen. Als Mäzen ist er potent, als Steuerzahler hingegen sollte er sich nicht allzu forsch anpreisen. Der Industrielle mit einem geschätzten Vermögen von 1,7 Milliarden Euro zahlt seine Steuern zum größten Teil schonend in der Schweiz.

Sollte der Tribun tatsächlich mit einer Partei bei Wahlen kandidieren, hätten die stillen Wutbürger ihr Ventil. Die FPÖ ist bereits alarmiert, was Stronach wohl eher als Ansporn nehmen dürfte. Wie sagte er kürzlich auf der Grazer Opernredoute so treffend: "Ich tanze nur, wenn ich dazu aufgefordert werde."