Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Katalonien haben die Separatisten am Sonntag eine historische Pleite erlitten. Erstmals seit 1980 verpassten die verschiedenen Parteien der Unabhängigkeitsbefürworter in der spanischen Konfliktregion zusammen die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament in Barcelona. Die Sozialisten von Spitzenkandidat Salvador Illa gewannen die Wahl. Mit 42 Sitzen sind sie zwar weit von der absoluten Mehrheit (68) entfernt.
Illa könnte aber mit der Unterstützung anderer linker Parteien zum Regierungschef gewählt werden - und so eine Neuwahl verhindern, denn eine Alternative zu einer linken Regierung scheint es nicht zu geben. Hinter den Sozialisten kam die konservativ-liberale Partei Junts des im belgischen Exil lebenden Separatistenführers Carles Puigdemont nach den vorläufigen amtlichen Ergebnissen mit 35 Sitzen auf Platz zwei.
Der 61-Jährige hat aber keine echte Chance, genug Unterstützung für eine Regierungsbildung zu sammeln. Die ebenfalls separatistische Republikanische Linke (ERC) des bisherigen Regionalpräsidenten Pere Aragonès belegte mit 20 Sitzen (gleich 13 weniger als bisher) nur den dritten Platz. Zusammen kamen die vier Separatisten-Parteien nur auf 61 Sitze. Sie verloren 13.
Großer Triumph für Ministerpräsident Sánchez
Der Wahlausgang wurde von Analysten unisono vor allem als ein großer Triumph der linken Zentralregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez im 600 Kilometer entfernten Madrid bewertet. Mit seiner Aussöhnungspolitik und seinen Zugeständnissen habe Sánchez den Konflikt in Katalonien weitgehend entschärft und den Separatisten - die Madrid traditionell als „Feind Nummer eins“ betrachten - den Wind komplett aus den Segeln genommen, hieß es in einer Talkrunde des Fernsehsenders RTVE am späten Sonntagabend.
Für Sánchez ist wiederum die Unterstützung der separatistischen Parteien im Nationalparlament in Madrid überlebenswichtig. Wohl auch deshalb hat er neben anderen Maßnahmen zur Beschwichtigung allen „Catalanistas“, die im Zusammenhang mit den Unabhängigkeitsbestrebungen in Konflikt mit dem Gesetz geraten sind, eine Amnestie zugesichert. Das Gesetz, das von der konservativen Opposition scharf kritisiert wird, hat noch nicht alle parlamentarischen Hürden überwunden. Es könnte es aber schon im Juni in Kraft treten - und würde auch eine Rückkehr des Justizflüchtlings Puigdemont, der den Wahlkampf von Frankreich aus führen musste, nach Spanien ermöglichen.
„Heute haben auch die Amnestie und die Aussöhnung gewonnen“, sagte der Journalist Juanma Lamet, dessen Arbeitgeber, die renommierte Zeitung „El Mundo“, nicht gerade zu den Sánchez nahestehenden Medien zählt. Die Schriftstellerin Berna González Harbour, die als Kolumnistin für das Sánchez-freundlichere Blatt „El País“ arbeitet, stellte fest: „Wir alle wussten schon, dass der „Procés“ (die Trennungsoffensive) zu Ende war. Nun wissen es auch die Separatisten.“ Sie seien „kläglich abgestürzt“.
Illegales Unabhängigkeitsreferendum
Nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum und einem Beschluss zur Abspaltung von Spanien war Katalonien im Herbst 2017 unter der Ägide Puigdemonts ins Chaos gestürzt. Puigdemont konnte damals mit weiteren Regierungsmitgliedern ins Ausland fliehen. Mehrere der im Land gebliebenen Mitstreiter wurden zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt, später aber begnadigt. Unter den Folgen des chaotischen Trennungsversuches - politische Instabilität sowie eine Unternehmens- und Kapitalflucht - leidet Katalonien noch heute.
Illa setze in seiner Siegesrede den Aussöhnungskurs des Sozialisten-Chefs Sánchez fort und versprach: „Kein Katalane wird von dieser neuen Etappe, die heute beginnt, ausgeschlossen werden.“ Er wolle Regionalpräsident werden, damit Katalonien wieder zur führenden Wirtschaftsregion Spaniens werde. Unter dem lauten Jubel seiner Anhänger rief Illa „Erstmals hat die Sozialistische Partei die Wahlen in Katalonien nach Stimmen und nach Sitzen gewonnen!“
Für die Wahl zum Regionalpräsidenten im Parlament in Katalonien benötigt Illa vor allem und unbedingt die Unterstützung der Republikanischen Linken, die sich noch nicht klar dazu äußerte. Parteichef Aragonès meinte zunächst, man werde in die Opposition gehen, aber das würde eine Duldung der Sozialisten nicht ausschließen.
Freude in Madrid
Unabhängig davon, was in den nächsten Wochen passiert, war die Freude im Madrider Regierungspalast Moncloa sehr groß. „Historisches Ergebnis“, schrieb Sánchez auf X. „Heute beginnt in Katalonien eine neue Ära, die das Leben der Bürger verbessern, die Rechte erweitern und das Zusammenleben stärken soll.“
Die Freude und Hoffnung der Sozialisten scheinen berechtigt, nicht nur wegen des Gewinns von neun Sitzen. Kritiker aus dem konservativen Lager hatten Sánchez immer wieder vorgeworfen, mit der Appeasement-Politik und Abhängigkeit seiner Minderheitsregierung von Separatisten werde er den Separatismus stärken und die Einheit Spaniens gefährden. Tatsächlich hatten die Separatisten auch nach Beginn der Zusammenarbeit mit Sánchez von der Zentralregierung unter anderem grünes Licht für ein legales Referendum über die Unabhängigkeit gefordert. Das werden sie wohl auch in Zukunft weiterhin tun - allerdings mit deutlich schwächerer Stimme als bisher.