Früher, da lebte man mit den Bergen. Oder besser: Man koexistierte. "Die Leute", sagt Hans-Peter Stauber, "sind nicht auf die Berge gestiegen. Was sollten sie auch dort?" Einzig, wenn sich das Vieh verrannt hatte, musste ein Senn ihm nach in die Höhe, erzählt er. Freiwillig aber stiegen nur Jäger hinauf, zur Gamsjagd. Die Lust am Gipfelsieg war lange Zeit bescheiden; Berge, so sagte man, wären sinnlos. Der französische Alpinist Lionel Terray sagte einst: "Bergsteigen ist das Schönste, was es gibt. Aber es ist auch das Tun des Unnützen", erzählt Stauber und zitiert das letzte Buch Terrays, 1965 selbst in den französischen Voralpen in den Tod gestürzt: "Die Eroberung des Unnützen."

Hans-Peter Stauber
Hans-Peter Stauber © www.neumayr.cc

Irgendwann aber kam der Wandel, sozusagen die Entdeckung des Unnützen. "Denn in diesem Unnützen hast du wahnsinnig viele Erlebnisse, Abenteuer, Selbstüberwindung und Grenzerfahrung. All das kannst du in den Bergen schnell erleben" sinniert Stauber, dessen Geschäft die Berge sind; seit 2012 ist er Denker und Lenker des TV-Formats "Bergwelten". Alternativen, die ähnlich hohen Adrenalinausstoß versprechen, sind rar gesät. "Rennfahrer kannst du werden. Oder Abfahrer vielleicht, so wie Hermann Maier; auch dort kann man sich und seine Grenzen ausloten." Das Schöne am Berg aber sei, dass eben auch der "Normalbürger" in den Genuss der positiven Emotionen kommen.

Die Kehrseite der Medaille: Der Genuss kann auch schnell in Todesgefahr umschlagen. "Nehmen wir die Rax und Schneeberg: Wie viele sterben da, weil sie einfach schlecht ausgerüstet sind, weil sie Situationen falsch abschätzen? Dabei ist der Berg nicht einmal 2000 Meter hoch – und doch gefährlich. Man muss nicht in den Himalaya gehen, um zu sterben…" Dabei betont Stauber: "Man muss sich mit dem Berg auseinandersetzen, weil der Berg kann nie etwas dafür, wenn etwas passiert. Schuld tragen immer wir Menschen."

Der Berg - ein Sehnsuchtsort

Just in der Gegenwart steigert sich die Lust der Menschen auf die Natur und die Berge aber weiter. Das mag auch an den Krisenzeiten liegen, auf Covid folgen wirtschaftliche Sorgen. "Die Menschen", sagt Stauber, "suchen offenbar Sehnsuchtsorte". Er könne diese – zumindest in Form schöner, packender Bilder – mit seinem Team anbieten. Denn Stauber ist einer jener Österreicher, die sich dem Bergfilm verschrieben haben. Oder besser: dem Ansinnen, diese Lust auf Abenteuer, die Grenzerfahrung oder Ähnliches zu dokumentieren.

Hans-Peter Stauber erklärt die Magie der Berge
Hans-Peter Stauber erklärt die Magie der Berge © Dan Briski

Entstanden ist diese Lust schon in der Jugend. "Ich komme aus einer Generation, die viel gelesen hat. Und ich habe als Kind schon die Erstbesteigung des Mount Everest mitbekommen, dann alle Bücher verschlungen, die es rund um dieses Thema gab." Stauber begab sich sozusagen durch seine Helden auf den Everest, ließ sich von den Expeditionen, die unter österreichischer Flagge in der K.u.K.-Zeit unternommen wurden, faszinieren, begleitete aber auch die beiden Österreicher Heinrich Harrer ("7 Jahre in Tibet") und dessen Partner Peter Aufschnaiter durch ihre Zeit im Himalaya. Denn: Österreicher waren im Alpinismus immer vorne dabei – und einer davon ist für Stauber sogar der "Größte aller Zeiten": Hermann Buhl, der 1953 als erster Mensch den Nanga Parbat bestieg und dafür, nebenbei bemerkt, auch zum "Sportler des Jahres" in Österreich ausgezeichnet wurde. Wohl auch deswegen, weil es Buhl als Österreicher und Mitglied einer deutschen Seilschaft gelungen war, den Gipfel zu erreichen.

Buhl war damit Wegbereiter für viele Alpinisten – von Reinhold Messner über Beat Kammerlander bis hin zu Gerlinde Kaltenbrunner, die als erste Frau der Welt alle 14 Achttausender ohne Sauerstoff bezwang. Die Faszination der Berge bleibt ungebrochen, auch wenn manche als Folge des Klimawandels zu zerbröseln drohen. Doch es wird sie weiter geben, wie den Wunsch, die Schwerkraft zu überwinden und sie zu bezwingen, den Gipfelsieg zu feiern. Auch, wenn es an sich unnütz sein mag.