Ganze 23 Mal habe ich als Mutter den Schulanfang meiner drei Töchter begleitet und weiß: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ...“ Aktuell sind die letzten Ferientage gezählt und viele Schülerinnen und Schüler genießen die letzten Sonnentage am See oder am Meer. Die Zeit des Ausschlafens und des Sich-Treiben-Lassens ist bald vorbei. Gleichzeitig verspüren viele Kinder und Jugendliche, wie jedes Jahr vor dem ersten Schultag, so etwas wie eine kribbelige Vorfreude: Neben wem werde ich sitzen? Wer ist neu in der Klasse? Welche Lehrer bzw. Lehrerinnen werde ich haben? Ist mein Stundenplan günstig?

Leider wird diese Freude von kurzer Dauer sein und bald werden sich auch Gefühle wie Frustration, Wut und Langeweile einstellen. Warum gehört diese fatale Desillusionierung zum vorhersehbaren Schulalltag? Viele Eltern aber auch Lehrer und Lehrerinnen sind sich einig: Die Schule ist ein schwerfälliges, bürokratisches Unternehmen, einem veralteten Bildungskonzept folgend. Es überwiegt Pragmatik vor Vision, ideologische Blockaden verhindern seit langer Zeit zukunftsweisende Bildungsreformen. Maßnahmen werden eher punktuell getroffen, die Debatte um die Ganztagsschule polarisiert seit Jahren die Nation.

Die Leuchttürme unter den Lehrenden

Gleichzeitig gibt es sie und ihnen sei hier von ganzem Herzen gedankt! Die Leuchttürme unter den Lehrenden und auch von ihnen will ich heute erzählen: Es gibt die Volksschullehrerin, die in den Sommerferien die Klasse dekoriert und Materialien vorbereitet, die jedem Kind persönlich einen Willkommensbrief zum ersten Schultag schreibt.

Es gibt die wunderbare unermüdliche Französischlehrerin, die von sich aus, freiwillig und mit Esprit, mit der Klasse anstelle des zuständigen, säumigen Klassenvorstands an die Côte d’Azur reist und für ein unvergessliches Gemeinschaftserlebnis sorgt. Es gibt die beiden Lehrerinnen, die seit Jahrzehnten in ihrer Freizeit jenen Literaturwettbewerb, der von Kärnten in den gesamten deutschen Sprachraum strahlt, organisieren und es gibt die Lehrerinnen, die sich um Sorgen und Probleme ihrer Schützlinge auch nach dem Unterricht kümmern, die psychologische Unterstützung, Mediation und vieles mehr organisieren.

Garantie für beste Ausbildung

In Österreich beginnt für über eine Million Schülerinnen und Schüler ein neues Schuljahr und obwohl 120.000 Lehrerinnen und Lehrer ihren Dienst versehen, wird für heuer ein Lehrkräftemangel befürchtet. Gab es schon in der Vergangenheit Probleme mit dem Supplieren entfallener Stunden, so stellt sich heute die Frage, ob ein besserer Betreuungsschlüssel nicht eine notwendige Investition in unser aller Zukunft sein könnte?

Die Schule der Zukunft muss die beste Ausbildung garantieren: Eine Spitzenausbildung muss oberstes Ziel sein, denn jedes Kind in Österreich durchläuft die Schule, das heißt, hier haben wir Zugriff auf alle Gestalterinnen und Gestalter unserer Zukunft, das sollten wir sehr ernst nehmen!

Eine Schule der Zukunft darf keine Mediennostalgie betreiben. Fast jeder Mensch besitzt ein Handy und nützt das Internet, künstliche Intelligenz begleitet uns in Form von Staubsaugerrobotern und Netflix-Filmempfehlungen. Verbote alltäglich gewordener Gegenstände und Formate wie Wikipedia oder ChatGPT sind kontraproduktiv: Schüler und Schülerinnen verwenden alles, was ihnen nützt, sie sind dabei schneller und besser als der Lehrkörper. Hier geht der klare Pluspunkt an den Innovationsgeist und die Flexibilität junger Menschen. Erfindungsreichtum und Kreativität realisieren sich gerade hier und genau an dieser Stelle könnte Schule anknüpfen.

Keine Angst vor sozialen Medien

Eine Schule der Zukunft muss die sozialen Medien akzeptieren statt zu dämonisieren: Wo können diese Formate effizient und verantwortungsvoll eingesetzt werden und worin liegen deren Gefahren? Die Digitalisierung unserer Welt ist der Weg in die Zukunft und auch Lehrer und Lehrerinnen müssen unbekannte Wege beschreiten: Warum nicht gemeinsam mit jungen Menschen, die hier die Nase längst vorne haben. Die sozialen Medien sind keine monströsen Orte der Zerstörung. Im Gegenteil: Viele junge Menschen nützen diese massiv als Kommunikationsplattformen und haben beispielsweise die Coronazeit dank dieser besser überstanden als ohne. Das praktizierte Brandmarken sozialer Medien als Erklärung problematischer Entwicklungen ist äußerst bequem, aber leider keine Antwort auf echten Themen wie: Wodurch unterscheidet sich Meinung von Wissen, was ist ein Faktencheck, wie erkenne ich Fake News?
Dass der neue AHS-Lehrplan für Deutsch das Fach Literatur gänzlich abschafft, zugunsten einer Erarbeitung von Textsorten wie Meinungsrede, Kommentar, Leserbrief und Zusammenfassung, ist kontraproduktiv. Wer die Option in andere Welten einzutauchen nicht hat, kann auch die eigene Welt, die auf Zusammenfassungen reduziert wird, nur noch verschwommen erkennen.

Eine Schule der Zukunft muss empathische, eigenständig denkende Menschen ausbilden. Denn in den immer komplexer werdenden Fragen des Miteinanders, der Verteilungsgerechtigkeit und der Interessenskonflikte brauchen wir verantwortungsvolle Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger.
Eine Schule der Zukunft muss aktuelle gesellschaftliche Themen und Entwicklungen reflektieren und darauf reagieren, anstatt sie zu negieren: die Klimakrise, Migration, Datentransparenz, Überalterung der Gesellschaft und der damit verbundene Pflegenotstand - welche Antworten haben wir darauf?

Ernährung und bewusstes Leben

Eine Schule der Zukunft soll die physische Gesundheit der Schüler und Schülerinnen im Auge haben: Bewusstes Leben, Fitness und gesunde Ernährung sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Viele Menschen besitzen Sportapps, Schrittzähler und Ernährungspläne, um einen gesunden Lifestyle zu realisieren. Anders in der Schule: Hier werden Turnstunden laufend gestrichen, Ausflüge und Wanderungen finden nicht mehr statt, es wird rund um die Uhr gesessen, Kreativangebote gestrichen und das angebotene Essen geht meist über Pizza, Snacks und Automatengetränke nicht hinaus. Dafür bezahlen viele Eltern dem Nachwuchs ein Abo im Fitnessstudio.

Die Schule der Zukunft darf lebensnahe und aktuell werden: In einer privaten Umfrage in meinem persönlichen jugendlichen Netzwerk bekam ich auf die Frage „Wie wünschst du dir Schule?“ folgende Antworten: Die Schule soll uns helfen, unsere Potenziale zu erkennen, und nicht dauernd in den Defiziten stochern. Ich möchte wissen, was Einstein und die Relativitätstheorie heute bedeuten. Ich will kochen können. Ich will Mathematik für das Leben lernen: Wie kommt ein Kredit zustande und was sind Zinsen? Was hat die Geschichte der Welt mir heute zu sagen? Wie funktioniert Politik? Was passiert im Studium? Ich will mehr Kunstunterricht.

Während jener 23 Schuljahre, die ich als Mutter begleiten durfte, hat sich die Welt rasant verändert. Die Schule und ihre Probleme leider nicht. Für mich wird nie wieder der Schulwecker läuten, aber den Schülerinnen und Schülern, deren Schuljahr jetzt beginnt, wünsche ich viel innovativen Zauber, der nicht nach wenigen Tagen verblasst.