Dass Polizistinnen und Polizisten, die seit Jahren verbeamtet sind, hinschmeißen, erlebt Gewerkschafter Walter Strallhofer (FSG Wien) in letzter Zeit immer öfter. "Der Personalnotstand sorgt vor allem in Wien für schlechte Stimmung unter den Beamten, deswegen hören auch einige auf". Er spricht von „unzähligen Überstunden“ und "Unvereinbarkeit von Beruf und Privatleben".

Zugleich hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gestern die "größte Reform bei der Polizei seit 20 Jahren" angekündigt. Er wolle der Internetkriminalität den Kampf ansagen und 700 neue Arbeitsplätze bis 2028 schaffen. Doch woher die ganzen Beamten kommen sollen, ist nicht allen klar.

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Internetkriminalität als größtes Problem

Die Kriminaldienstreform sieht unter anderem 38 sogenannte Kriminalassistenzdienststellen (KAD) in den Regionen vor. Sie sollen ab dem Frühsommer 2024 die "notwendige Expertise bringen" was Internetkriminalität, Tatortarbeit und Prävention angeht. Gerade im Internet komme es täglich zu hundert Betrugsfällen und man habe gesehen, dass die ländlichen Bezirksstrukturen zu klein sind. Wo genau die KADs hinkommen sollen, legen die Landespolizeidirektionen fest.

Gewerkschafter und auch SPÖ und FPÖ befürchten aber, dass aufgrund der neuen Kriminaldienstassistenzstellen Personal von kleineren Dienststellen abgezogen werde.

Strallhofer sagt, es sei generell "unmöglich", die Stellen zu besetzen. Neben den 700 neuen Arbeitsplätzen (davon 600 in den Bundesländern und 100 in Wien) sollen rund 2000 Jobs von Polizeibediensteten aufgewertet werden.

Ministerium: "Anreize greifen"

Die Zahlen zeigen: Immer mehr Polizistinnen und Polizisten hören auf – aufgrund von Pensionierung, aber auch freiwillig, mit einvernehmlicher Kündigung. Im Vorjahr haben 1450 Beamte die Polizei verlassen. Die Zahl ist seit 2018 um mehr als die Hälfte gestiegen. Das geht aus der Antwort einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ hervor. Während sich das Personalproblem in der Steiermark und in Kärnten noch in Grenzen zu halten scheint, kämpfen andere Bundesländer. In Wien haben sich 2022 die freiwilligen Austritte (139) an die Zahl der Pensionierungen (180) angenähert. Zwar konnten im Vorjahr 1400 Ausbildungsplätze belegt werden, insgesamt nahm die Zahl der Polizistinnen und Polizisten jedoch um rund 300 ab, obwohl es laut Plan der Regierung jedes Jahr 1000 Beamte mehr sein sollen.

Karner sieht kein Problem mit dem Personal. Natürlich spüre man den Arbeitskräftemangel, gleichzeitig gebe es viele Bewerberinnen und Bewerber. Auch die Rekrutierungsmaßnahmen des Ministeriums (mehr Gehalt und Klimaticket für die Polizeischüler und Aufhebung des Tattoo-Verbots), hätten schon Wirkung gezeigt. Die Bewerbungen hätten sich heuer verdreifacht. Für den März-Termin hatten sich 876 Menschen beworben, allerdings waren nur 250 geeignet.

Die Gewerkschaft ortet dennoch Handlungsbedarf. Es brauche mehr Anreize für künftige Polizistinnen und Polizisten. Zum einen müssten die Vordienstzeiten immer angerechnet werden und: "Man muss den Jungen mehr Planbarkeit bei den Diensten bieten. Die Zeit, in der man für mehr Geld viele Überstunden macht und sich zufriedengibt, ist vorbei."