Herr Professor, was ist das für ein Mensch, der sein Kind offenbar wie einen Hund gehalten hat?
MANFRED WALZL: Der Fall ist unglaublich. Das ist jemand, der mit dem Leben nicht zusammenkommt. Jemand, der permanent überfordert ist und noch dazu eine schwer gestörte Persönlichkeit ist. Emotional instabil und absolut empathielos.

Besteht die Möglichkeit, dass der Verdächtigen in ihrer Vergangenheit Ähnliches widerfahren ist?
Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Erlebtes später spiegelt. Womöglich ist die Frau als Kind häufig bestraft worden. Das wird man hinterfragen müssen, wir kennen die Details nicht. Liegt eine gestörte Impulshaftigkeit vor? Wurde, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein, gehandelt?

Was wäre denn noch möglich, aus Ihrer Sicht?
Es könnte auch sein, dass die Frau Wahnvorstellungen hatte oder Schizophrenie. Das muss man in psychiatrischen Gutachten abklären, das ist jetzt wichtig.

Was macht so etwas mit einem Kind?
Es wird ein Leben lang intensivste Therapie benötigen. Bei einem Kleinkind sind die Folgen im Vergleich weniger furchtbar. Aber im Alter von 12 Jahren wird ein Leben lang ein Schaden bleiben.  

Wie kann es sein, dass im Umfeld keiner etwas mitbekommen hat?
Die genauen Umstände sind noch unbekannt. Natürlich kann es sein, dass Nachbarn etwas mitbekommen haben, aber nicht anecken wollten. Es kommt vor, dass die Leute dann eher wegschauen.

Solche Fälle sind für einen Psychiater und Gerichtssachverständigen wie Sie doch die absolute Ausnahme?
Ja. Es gibt zwar eine gewisse Parallele zum Fall F., wenn das Gefängnis der Kinder auch größer gewesen ist. Was ich aber beobachte, ist, dass die Empathie generell zurückgeht. Das wird unsere Gesellschaft noch lange beschäftigen.