Imperiales zieht immer. Nach „The Crown“ folgt auf Netflix „Die Kaiserin“, die Geschichte der jungen und freigeistigen Sisi und ihres Franz Joseph. Vom Start weg stürmte die jüngste Verfilmung, auf Hochglanz poliert und fernab historischer Genauigkeit, die Charts als beste deutschsprachige Serie. Sisi ist nie auserzählt, auf Netflix darf Sisi rebellisch sein. Sie schießt ein Wildschwein, staucht den Bischof zusammen, ihr Franzl darf sogar Schei… sagen.
Im Salzkammergut werden Zeitgeist und Streaming-Quote in Klischees und Tourismusumsätze verwandelt: Ischl vermarktet sich seit zehn Jahren als Kaiserstadt. In den Schaufenstern zieren die Konterfeis von Franz Joseph und Sisi Tassen, Teller und Bilder, der Kaiser alt, Elisabeth jung. In der Kaiservilla, über dem Fluss Ischl unter dem Jainzen gelegen, verbrachten die beiden ihre schönsten Sommer. 150 Jahre nachdem Sisi und Franz Joseph hier eingezogen sind und später Sommer für Sommer genossen haben, ist es schlimm um diese Kaiservilla bestellt. Das Erbstück bröckelt.
Verpflichtung und Beruf
Das Anwesen, 1919 als Privatbesitz der Habsburger nicht enteignet, ging damals auf die toskanische Linie über. Heute wohnen Markus Habsburg-Lothringen und seine Frau Hildegard in der Villa neben dem öffentlich zugänglichen Teil. Er ist Urenkel des Kaisers und hat die Villa in eine Stiftung übertragen, damit der Besitz nicht zerschlagen wird. Die beiden haben drei Kinder. Habsburg ist Magister und sollte Rechtsanwalt werden. Er will nicht mit Erzherzog angesprochen werden und sieht den Erhalt von Villa und Park als Verpflichtung und Beruf an, auch als ein Erbe, dessen Erhaltung ihn drücke. „Ich bin froh, dass ich schon älter bin und fast durch“, sagt er den „Oberösterreichischen Nachrichten“.
Schwiegersohn Sebastian Bergmann leitet die Familienstiftung, der die Kaiservilla samt Park gehört. Er spricht jedenfalls von dringendem Restaurierungsbedarf, weil bis auf die Erneuerung des Daches die Villa in ihrem Bestand nie großflächig saniert und erneuert worden ist. „Aber wir können uns das leider nicht leisten, es übersteigt unsere Kräfte.“
Es ist eine Art Hilferuf, der unter anderem beim Industriellen Hannes Androsch Gehör gefunden hat. Er berät die Habsburgs und sieht es als eine nationale Angelegenheit, die Villa zu retten. „Ich stehe nicht im Verdacht, monarchistisch zu sein, aber das hier ist ein Kulturgut und damit eine öffentliche Angelegenheit und keine Privatsache. Da muss etwas getan werden.“
Die Habsburgs wie auch Androsch waren schon bei Landeshauptmann Thomas Stelzer, sie orten Verständnis und positive Signale und sind dankbar dafür. Anfang Dezember sollen Sachverständige des Landes eine erste Begutachtung vornehmen. Eine Bestandsaufnahme der Substanz hat es bisher nicht gegeben. Erkennbar sind nur die äußeren Schäden, diese sind groß. Androsch sagt, dass sich Bund und Land beteiligen sollten, auch eine Kofinanzierung der EU müsste sich darstellen lassen.
Wände atmen Geschichte
Markus Habsburg und seine Gattin Hildegard, die gute Seele in der Kaiservilla, führten uns Besucher durch den öffentlich zugänglichen Museumstrakt. Ein Hauch der Geschichte streift uns, im Schlafzimmer von Franz Joseph steht das schmale Militärbett, im Zimmer davor unterschrieb er das Manifest „An meine Völker“ und die Kriegserklärung. Der elektrische Zigarrenanzünder, Geschenk des Zaren, liegt ordentlich an seinem Platz, als kämen die Bewohner gleich bei der Tür herein.
Beim genaueren Blick fällt der Glanz der Villa ab. Im grauen Salon, wo Franz Joseph mit seinen Enkeln im wärmenden Licht der Nachmittagssonne am liebsten den Kaffee einnahm, drückt es bei den Balkontüren bei Starkregen das Wasser herein. „Wir müssen mit Putzlappen gegen das Wasser kämpfen“, sagt Hildegard Habsburg.
Die Vorhänge aus Brokat weisen Löcher und Risse auf, Stuck bröckelt von der Decke. Die Villa zählt mehr als hundert Fenster und Fensterläden, der Kitt ist abgebröckelt, das Holz angefault, die Fenster sind undicht. Im Erdgeschoß weist die Stuckdecke Sprünge auf. „Wahrscheinlich muss das von oben saniert werden, dann müssten alle Böden geöffnet werden“, sagt Hildegard Habsburg. Die Außenfassade weist Risse auf, der Marmor ist zersprungen. Auch die Brücke über die Ischl wurde nie überprüft und auf etwaige Schäden kontrolliert.
Der von Viktor Tilgner entworfene Brunnen vor der Villa, auf vielen Fotos verewigt und demnächst auch in einer Einspielung beim Neujahrskonzert zu sehen, ist undicht. Die Brunnenfiguren tragen die Ablagerung von Jahrzehnten.
Sogar der Baumbestand des Parks gehörte durchforstet und erneuert, sagt Hildegard Habsburg. Nur ein geübtes Auge sieht, dass es im Park an vielem fehlt.
Das Dilemma dabei ist: Jedes einzelne Teil der Villa ist denkmalgeschützt, im Staatsdepot liegen die Pläne, jede Steckdose ist verzeichnet, 1898 wurde die Elektrizität eingeleitet. „Wir können nicht den nächstbesten Maler anrufen, hier in diesem Zimmer sind die Tapeten ein Geschenk der Königin Victoria von England“, sagt Hildegard Habsburg. Überall muss der Denkmalschutz berücksichtigt werden.
40 Millionen oder mehr
Wie teuer wäre die Sanierung? „Wir wissen es nicht, wir haben noch keine Erhebung der Schäden gemacht“, sagt Sebastian Bergmann. Aber inoffizielle Schätzungen von externen Beratern bewegen sich in der Dimension von 40 bis 50 Millionen Euro.
Bergmann ist das Dilemma bekannt. „Die Öffentlichkeit könnte den Trugschluss ziehen, dass sich die Habsburgs das leisten können und die Sanierung aus den Eintrittsgebühren finanzieren müssten.“
Diese Rechnung ist unrealistisch. 2019 besuchten 49.000 Personen Kaiservilla und -park. Die Betriebs-GmbH erlöste damit rund 900.000 Euro Umsatz, sie finanziert damit 15 Beschäftigte und den laufenden Betrieb, die Stiftung nimmt keine Entnahmen vor. Während der Pandemie schrieb die Betriebs-GmbH Verlust. Stiftungsvorstand Bergmann hofft laut „Oberösterreichischen Nachrichten“ auf Unterstützung von außen, „gerne auch als Sachleistung“. Vielleicht ist das auch leichter möglich, weil Republik und Habsburger ihren Frieden geschlossen haben.
Bundespräsident war da
„Ist das so?“, fragt Schwiegervater Markus Habsburg und erinnert zugleich daran, dass zuletzt zwei Präsidenten die Villa besucht haben. Alexander Van der Bellen war mit Hubert von Goisern zu dessen Konzert hier, und Heinz Fischer hat sich für die Familie sogar eine Stunde Zeit genommen. „Das war dann sehr nett“, sagen die Kaiser-Erben.