Während sich Regierungsvertreter am Dienstag in Wien zu einem Gewaltschutzgipfel einfanden und in einer Pressekonferenz Maßnahmen für von männlicher Gewalt betroffene Frauen präsentierten, ist wenige hundert Meter entfernt im Landesgericht für Strafsachen ein versuchter Frauenmord verhandelt worden. Am Ende wurde ein 53-Jähriger von einem Schwurgericht einstimmig anklagekonform schuldig gesprochen und zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Zudem wurde der bisher Unbescholtene in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Gerichtspsychiater Peter Hofmann hatte ihm zwar Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt bescheinigt. Infolge jahrelangen Alkohol- und Benzodiazepin-Missbrauchs entwickelte der Mann aber eine Persönlichkeitsstörung, die ihn laut Hofmann gefährlich macht und befürchten lässt, dass er ohne die im Maßnahmenvollzug gewährleisteten haftbegleitenden therapeutischen Maßnahmen zukünftig wieder Straftaten mit schweren Folgen setzen wird, so dass sich der Sachverständige für eine Unterbringung in einer Sonderstrafanstalt aussprach. Dem kam das Gericht (Vorsitz: Wolfgang Etl) nach. Nach der Urteilsverkündung erbat der 53-Jährige Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.
Verbote bieten zu wenig Schutz
Der Fall machte deutlich, dass ein Betretungs- und Annäherungsverbot auch nach der jüngsten gesetzlichen Verschärfung mitunter unzureichenden Schutz für von häuslicher bzw. männlicher Gewalt betroffene Frauen bietet. Seit 1. Jänner 2022 gilt mit Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbotes auch ein vorläufiges Waffenverbot für den Gefährder. Das zuständige Bezirksgericht kann außerdem das Verlassen der Wohnung, in der die Betroffene gemeldet ist, mittels einer einstweiligen Verfügung anordnen. All das hatte eine 60-jährige Frau erwirkt, die sich nach 23 Jahren von ihrem um sieben Jahre jüngeren Lebensgefährten getrennt hatte, nachdem er ihr gegenüber immer gewalttätiger geworden war.
Tatsächlichen Schutz boten ihr die gesetzlichen Mittel nicht. Der Mann tauchte immer wieder vor ihrer Wohnung in Wien-Penzing auf und passte sie schließlich am 4. Juli 2022 in einem Durchgang zu ihrem Wohnhaus ab. Als sie des Weges kam, ging er laut Anklage umgehend auf sie los, packte sie, hielt ihr den Mund zu und versetzte ihr mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 12,5 Zentimeter einen wuchtigen Stich in die Brust. Dann lief er davon.
Die Frau konnte sich noch in ein nahe gelegenes Lokal schleppen und um Hilfe bitten ("Mein Mann hat mich gestochen!"), ehe sie zusammenbrach. "Es ist nur einem glücklichen Umstand zu verdanken, dass sie nicht in Form eines Verbrechens gestorben ist", führte dazu die Staatsanwältin am Landesgericht aus. Der Stich bewirkte Luft- und Bluteintritte in die Brusthöhle, den Herzbeutel und das Herz. Ohne rasche notfallmedizinische Versorgung wäre die Frau dem gerichtsmedizinischen Gutachten zufolge gestorben. Sie musste tagelang in künstlichem Tiefschlaf auf der Intensivstation eines Spitals versorgt werden, ehe ihr Überleben gesichert war.
Eifersüchtig und aggressiv
"Sie hat zu einem gewissen Grad befürchtet, dass es dazu kommen wird", hielt die Staatsanwältin fest. Die Beziehung der Frau sei "die längste Zeit eine normale" gewesen. Während der Corona-Pandemie habe der Mann dann aber immer mehr zu trinken begonnen, sei eifersüchtiger und aggressiver geworden. Er habe eines Tages den Kopf der Frau gegen eine Tür geschlagen, ihr ein anderes Mal kochend heißes Wasser über den Unterarm geleert. Am 28. Dezember 2021 packte er sie mit einem Messer in der Hand an der Hüfte, sah ihr in die Augen und meinte: "Heute ist Schluss!" Zwölf Tage danach erstattete die verängstigte Frau Anzeige, nachdem er ihr zwischenzeitlich eine brennbare Flüssigkeit über den Kopf geschüttet und versucht hatte, ihre Haare mit einem Feuerzeug anzuzünden. Außerdem fragte er bei dieser Gelegenheit die Frau, wo sie begraben werden wolle.
Während sich der 53-Jährige ungeachtet des gegen ihn erlassenen Betretungs- und Annäherungsverbotes weiter vor der Wohnung seiner Ex-Freundin herumtrieb, stellte die Staatsanwaltschaft das gegen ihn gerichtete Strafverfahren zu den angezeigten Gewalttätigkeiten ein - "im Zweifel", wie die Staatsanwältin nun dartat.
"Ich hatte Probleme"
Der Angeklagte und sein Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger stellten den Messerstich nicht in Abrede, was insofern auch wenig Sinn gemacht hätte, da unweit des Tatorts die Tatwaffe mit dem Blut der Frau und der DNA des Mannes am Messergriff sichergestellt worden war. Außerdem war sein Handy zur Tatzeit im Sendebereich der Wohnung der 60-Jährigen eingeloggt. Die beiden versicherten allerdings den Geschworenen, der Mann habe seine langjährige Partnerin nicht töten wollen. "Er hat sie noch immer geliebt", sagte Arbacher-Stöger. "Ich bin kein Mörder. Ich bin kein Mörder gewesen. Ich liebe meine Frau", meinte der Angeklagte. Es sei möglich, "dass ich das getan (gemeint: zugestochen, Anm.) habe. Aber ich kann mich nicht daran erinnern". Er habe an jenem Tag "viel Alkohol" getrunken: "Drei Tage fehlen mir, ich kann mich nicht erinnern. Ich war allein zu Hause. Ich habe eine Krebserkrankung. Ich hatte Probleme."
Aus Sicht des Mannes war die Beziehung im übrigen nicht vorbei, wie er am Ende seiner Einvernahme erklärte: "Sie wurde nicht beendet, weil wir uns im Juni in einem Lokal getroffen und etwas getrunken haben." Briefe, die er aus dem Gefängnis an die 60-Jährige schicken wollte - in einem Schreiben entschuldigte er sich für die inkriminierte Tathandlung -, wurden von der Frau allerdings nicht angenommen.