In St. Pölten ist am Montag ein 25-Jähriger wegen absichtlich schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Der Schuldspruch ist Gerichtsangaben zufolge nicht rechtskräftig. Der Beschuldigte soll am 4. Juni am Bahnhof von St. Peter in der Au (Bezirk Amstetten) im Mostviertel im Rahmen eines Streits einen Kontrahenten mit voller Wucht auf die Gleise gestoßen haben. Passanten retteten den 54-Jährigen rechtzeitig vor einem herannahenden Güterzug.
Angeklagt worden war der 25-Jährige wegen versuchten Mordes, zu dem sich der Mann nicht schuldig bekannte. Die entsprechende Hauptfrage wurde von den Geschworenen dann auch verneint. Zusätzlich zu den sechs Jahren Haft wegen absichtlich schwerer Körperverletzung erfolgte der Widerruf einer bedingt nachgesehenen Vorstrafe von vier Monaten wegen Körperverletzung. Der Angeklagte muss dem 54-Jährigen außerdem 1500 Euro an Schmerzengeld bezahlen.
Opfer und Täter alkoholisiert
Der Grund für die Auseinandersetzung zwischen den Männern ist nicht gänzlich klar, man kannte sich zuvor nicht näher. Beide waren alkoholisiert, beim Beschuldigten war auch Crystal Meth im Spiel. Der Jüngere zuckte jedenfalls derart aus, dass er dem 54-Jährigen laut Staatsanwältin "Ich bring' dich um" zuschrie und seinen Kontrahenten auf die Schienen bugsierte – wobei nur etwas mehr als zwei Minuten später ein Güterzug einfahren sollte. Nur "pures Glück und purer Zufall" und die Rettung durch Passanten habe den Tod des Angegriffenen verhindert, konstatierte die Vertreterin der Anklagebehörde. Sie wollte den Akt, der am Bahnhofsgelände von einer Kamera aufgezeichnet wurde, als versuchten Mord gewertet wissen. Der 54-Jährige habe leichte Verletzungen erlitten und sei ansonsten mit dem Schrecken davongekommen.
Der Angeklagte selbst räumte ein, auf dem Bahnhofsgelände aggressiv gewesen zu sein. Nach Stunden voller privater Probleme habe er dort am Nachmittag des 4. Juni verbal Dampf abgelassen. In der Folge entwickelte sich der Streit mit dem 54-Jährigen, in dessen Rahmen auch der Ältere Drohungen geäußert habe. "Dann hat es mir gereicht", gab der Beschuldigte zu Protokoll. Er habe Anlauf genommen und seinen Kontrahenten gestoßen, dieser sei gestolpert und auf die Gleise gestürzt. Das sei nicht beabsichtigt gewesen. "Es war eine Kurzschlussreaktion. Im Schock bin ich dann davongelaufen", betonte der 25-Jährige, der sich zur Körperverletzung schuldig bekannte, aber keinen Tötungsvorsatz gehabt haben will. "Ich habe nicht geglaubt, dass jetzt unmittelbar ein Zug kommt."
Mordversuch liege nicht vor
Das Opfer offenbarte im Zeugenstand erhebliche Erinnerungslücken. "Es war ein Blödsinn", sagte der 54-Jährige. Es sei alles "so schnell gegangen", "dann bin ich aufs Gleis gefallen".
Seitens der Staatsanwaltschaft wurde die "kriminelle Vorgeschichte" des einschlägig vorbestraften 25-Jährigen hervorgehoben. Am 4. Juni habe er "Drogen konsumiert und einige Biere getrunken", habe aber "gewusst, was er tut". Von der Verteidigerin wurde die komplizierte Familiengeschichte des Angeklagten ins Treffen geführt. Ein Mordversuch liege nicht vor, es fehle am dazugehörigen Vorsatz.