Weil er einem ihm völlig unbekannten Mann mit einem einzigen wuchtigen Hieb mit einer Holzlatte das Schädeldach eingeschlagen und ein Schädel-Hirn-Trauma zugefügt hatte, hat sich ein 41-Jähriger am Montag am Wiener Landesgericht verantworten müssen. Das Opfer - zum Tatzeitpunkt 44 Jahre alt und von Beruf Lohnverrechner - überlebte dank außerordentlich glücklicher Umstände. Der Angeklagte bekannte sich zum inkriminierten versuchten Mord "nicht schuldig".
Er behauptete, er habe sich gegen einen gegen ihn gerichteten Angriff zur Wehr gesetzt. Er sei "direkt attackiert" worden, habe das Kantholz vom Boden aufgehoben und "gleich in der Bewegung auf ihn hingeschlagen. Ich wollte nicht gegen den Kopf zielen", meinte der 41-Jährige.
Zeugin hatte gefilmt
Er wurde allerdings von einer völlig unbeteiligten Zeugin belastet, die die Szene am Heimweg nach einem Ausgang mit ihrem Freund zufällig beobachtet hatte. Die Studentin verfolgte den Angeklagten und dessen beide Begleiter und filmte diese mit ihrem Handy. Danach ging sie zurück zum Tatort und kümmerte sich um den lebensgefährlich Verletzten. Diesem sei "mit voller Wucht gegen den Kopf geschlagen worden", gab die 28-Jährige vor Gericht zu Protokoll. Einen vorausgegangenen Angriff auf den Angeklagten habe sie nicht wahrgenommen.
Die gewalttätigen Attacke hatte sich in der Nacht auf den 11. Juli 2020 in Wien-Simmering abgespielt. Der Angeklagte - laut Staatsanwältin von Jugend an der Punk-Szene verbunden und von extrem linkem Gedankengut geprägt - war am Weg zum in seinen Kreisen geschätzten Ernst-Kirchweger-Haus, das damals von Rechten belagert wurde. Die drei wollten nach eigenem Bekunden "Faschos klatschen". Sie waren erheblich alkoholisiert und zogen weit nach Mitternacht grölend und singend durch die Straßen. Der Lohnverrechner, der gerade mit dem Taxi nach Hause gekommen und im Begriff war, in seine Wohnung zu gehen, sprach sie auf die Lautstärke an und bat die Gruppe, leiser zu sein.
Attackierter habe erst wieder das Gehen lernen müssen
Daraufhin entstand ein zunächst verbaler Streit, der plötzlich handgreiflich wurde, wobei der Angeklagte sich eines Kantholzes bediente, das von einer Baustelle stammte - eine gegenüber dem Wohnhaus des Opfers gelegene Schule wurde gerade umgebaut. Dabei sei das Opfer bereits dabei gewesen, sich zu entfernen, wie die Staatsanwältin betonte. Der Angeklagte habe dem Mann "massive und lebensbedrohliche Verletzungen zugefügt. Hätten diese zu einer Hirnblutung oder einer Lungenembolie geführt, wäre er gestorben". Der Lohnverrechner sei mit mehreren Bruchstellen des Schädels wochenlang im Spital gelegen, habe erst wieder das Essen und Gehen lernen müssen. Seinen Job habe er aufgrund anhaltender Konzentrationsprobleme aufgegeben.
Mittlerweile geht es dem inzwischen 46-Jährigen wieder besser - abgesehen von den Folgen eines Kreuzbandrisses, denn er war nach dem Schlag bewusstlos zu Boden gegangen und hatte sich auch beim Sturz eine entsprechende Verletzung zugezogen. An die Tat selbst hatte der Mann bei seiner Zeugenaussage keine Erinnerung, er wies jedoch die Behauptung des Angeklagten, die Aggression wäre von ihm ausgegangen, als haltlos zurück.
Auch sein bisheriger Lebenswandel spricht nicht unbedingt dafür, dass der Angeklagte in Notwehr gehandelt hat. Er weist nicht weniger als 17 Vorstrafen auf, davon die meisten wegen Raufhandel und Körperverletzung. Mehrfach war er bereits im Gefängnis. Weil er nach dem prozessgegenständlichen Vorfall nicht wieder in Haft kommen wollte, tauchte er eine Zeit lang unter.
Die Verhandlung wurde zur Einvernahme weiterer Zeuginnen und Zeugen sowie eines gerichtsmedizinischen und eines psychiatrischen Sachverständigen vertagt. Nächster Termin: 16. Dezember.